An bislang 14 Tagen sind in Essen städtische Kindertageseinrichtungen bestreikt worden. Bleiben die bundesweiten Verhandlungen, die gestern in Berlin erneut begannen, weiter erfolglos, drohen im August neue Arbeitsniederlegungen.

Die städtische Kindertagesstätt Alte Kirchstraße in Katernberg gehört zu den am stärksten bestreikten Kitas in der Stadt – an allen Tagen wurde das Haus dichtgemacht beziehungsweise der Betrieb auf eine Notgruppe reduziert. Der Leiter Meinrad Pielucha (59) sagt: „Der Streik muss sein, es geht nicht mehr anders.”

Die Daten seines Hauses: 95 Kinder im Alter von vier Monaten bis zum Schul-Alter. Zehn Nationen. 14 pädagogische Kräfte, plus Honorarkräfte und Küchen-Mitarbeiter. „Wer bessere Bildung im Elementarbereich will”, sagt Pielucha, „der muss auch die Bedingungen dafür schaffen.”

Die hätten sich vor allem mit Beginn des Kinderbildungsgesetzes „Kibiz” erheblich verschlechtert. Früher waren 25 Prozent der Arbeitszeit für Vor- und Nachbereitung vorgesehen – jetzt sind es nur noch zehn Prozent. „Das schaffen wir gar nicht, es muss ja viel mehr als früher dokumentiert werden.”

Der Wert frühkindlicher Bildung - ganz wichtig, aber nur in Sonntagsreden

Kindergärten und -tageseinrichtungen sind schon lange keine reinen Verwahrstationen mehr. Das waren sie wohl auch nie. Aber: Frühkindliche Bildung hat einen Stellenwert, der so hoch ist wie noch nie – zumindest auf dem Papier und in Sonntagsreden von Politikern. Erzieher müssen Entwicklungsschritte beobachten und dokumentieren, mit Eltern Zielvereinbarungen festlegen, hinzu kommt ein vergrößertes Angebot an Sprachkursen für Kinder und Eltern. „Die Qualität der Beobachtung hat sich sehr verbessert”, sagt Pielucha. „Doch dann muss auch der Personalschlüssel verbessert werden.”

Das Gegenteil ist der Fall: Eine 20-köpfige Kindergruppe, Alter zwei bis sechs Jahre, werde von zwei Kräften betreut. „Wenn da nur ein paar Wickelkinder sind, ist das schon nicht mehr richtig zu regeln.” Die Ausfallquote durch Krankheit, Urlaub oder Überstunden-Abbau liege in seinem Haus bei 15 bis 20 Prozent. „Kibiz” habe eine Planstelle gekostet, der Wegfall der Hortgruppen wirke sich auch aus: „Schulkinder waren am Vormittag einfacher zu betreuen als Kleinkinder. Da konnte ein Erzieher notfalls auch mal kurz bei den Kleinen aushelfen.” Sein Fazit: „Alle leisten Großartiges. Doch die Qualität, die wir schaffen sollen, bekommen wir zu diesen Bedingungen nicht hin.”