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Die Evag investiert mit massiven Stahlträgern in die Erneuerung ihres Straßenbahnnetzes. Nicht nur entlang der Linie 106 im Bereich des Rüttenscheider Sterns sorgen die Investitionen jedoch für Ärger.
Streitpunkt sind neue Befestigungen für Oberleitungen. Während die Verspannung jahrzehntelang meist an gegenüberliegenden Häuserwänden angebracht war, geht die Verkehrs-AG nun einen neuen Weg: mit massiven Stahlträgern.
Genehmigung verweigert
Denn für weitere Anker an Hauswänden ist die Evag auf die Mitwirkung der Eigentümer angewiesen. In einigen Fällen wurde die notwendige Genehmigung jedoch verweigert. Daher rücken vielerorts die schweren Träger an Stelle der alten Befestigungen. Versenkt werden diese auf dem Gehweg und ragen regelmäßig bis auf Höhe des dritten Stocks der anliegenden Wohnhäuser. Die nicht zu übersehende Folge: Das ohnehin von unzähligen Verkehrsschildern, Ampel- und Laternenpfählen gesäumte Straßenbild bekommt einen weiteren hässlichen Hingucker. Außerdem wird der schmale Freiraum auf den Gehwegen weiter beschränkt.
Am Rüttenscheider Platz, direkt vor der Apotheke am Markt, ragt seit kurzem einer dieser stählernen Riesen in den Himmel – direkt daneben eine fast ebenso hohe Straßenlaterne. Im Vergleich zum Stahlkoloss wirkt sie fast zierlich. „Wer sich das ausgedacht hat, hatte offensichtlich kein System“, sagt Apotheker Wolfgang Blume.
Ähnlich sieht es auch vor dem Rüttenscheider Hof aus. Obwohl in rund zehn Metern Entfernung bereits seit Jahren ein deutlich niedrigerer Mast zur Verspannungsbefestigung steht, ist auch hier jüngst ein großer Stahlträger in den Gehweg eingelassen worden. Einige Meter weiter, vor der Gastronomie „Mittendrin“, klafft gleichermaßen ein stattliches Loch auf dem Bürgersteig. Auch hier wird bald ein Stahlträger das Straßenbild prägen.
„Man muss mit der Zeit gehen"
Die Essener Verkehrs-AG verteidigt unterdessen die Modernisierungsarbeiten: „Man muss mit der Zeit gehen, außerdem sind das schon die schlanksten Träger, die es zurzeit gibt“, erklärt eine Sprecherin des Unternehmens. Für Apotheken-Inhaber Wolfgang Blume ein schwacher Trost: „Das ist eine Verschandelung des Stadtbildes und für den Stadtteil Rüttenscheid überhaupt nicht gut. Die Dinger werden ja ewig bleiben.“ Bislang wurden 25 Träger verbaut. Nach Angaben der Evag sollen bis Herbst zwischen Moltkestraße und Altendorf noch weitere 15 folgen, sodass entlang der Linie 106 insgesamt 40 neue Träger platziert werden.
Andere europäische Metropolen, wie Straßbourg oder Dublin, machen längst vor, wie moderne Tramstrecken aussehen können. Deutlich schlankere und vor allem niedrigere Masten sorgen dort für eine freundlichere und vor allem offenere Atmosphäre. Vom Oberleitungsgewirr, wie es in Rüttenscheid an vielen Stellen zu beobachten ist, keine Spur.
Nicht nur optische Probleme
Doch nicht nur optisch machen die neuen Träger Probleme. An der Witteringstraße gegenüber der Sparkassen-Filiale steht ein ebensolcher schon seit mehreren Jahren. Statt auf dem Gehweg wurde der stählerne Riese dort unmittelbar neben den Bürgersteig an den Rand einer Parkfläche positioniert. „Seitdem hat es hier schon unzählige Male gekracht. Beim Einparken sind hier schon reihenweise Autos rückwärts in den Pfeiler reingefahren“, berichtet ein Anwohner.
Auch der Interessengemeinschaft Rüttenscheid (IGR) sind die Masten bereits aufgefallen. In ihrem Internet-Rundbrief informiert die IGR über die „monströsen T-Träger“, die den „technischen Charme einer Gleisanlage“ hätten.
Keine andere Lösung in Sicht
Hoffnung, dass die Evag doch noch eine andere Lösung findet, haben die Anwohner kaum. „Bald werden die Masten sicher noch wunderbar beklebt. Ich finde es einfach sehr, sehr traurig“, sagt Apotheker Blume.