Essen. Zum 1. Juli startet der neue Bundesfreiwilligendienst, doch die Zahl der Bewerber ist überschaubar. In vielen sozialen Einrichtungen könnte sich die Betreuung verschlechtern.

Mit dem Ende des Zivildienstes drohen in vielen sozialen Einrichtungen in Essen deutliche Verschlechterungen der Betreuung. Der neue Bundesfreiwilligendienst (BFD) nämlich kann die entstehenden Lücken nicht stopfen. „Bei uns bricht keine Einrichtung zusammen, aber die Qualität wird leiden“, prophezeit etwa Karl Buron, der den Zivildienst beim Caritasverband im Bistum betreut. Er ist zuständig für rund 1000 Zivis; allein 350 sind in Essen eingesetzt.

Sie alle sind zwar als zusätzliche Kräfte gedacht, in der Praxis aber oft unverzichtbar. So berichtet Buron von Kliniken, in denen Zivis die Patienten in ihren Betten zu Untersuchungen oder in den OP bringen. „Solche Hol- und Bringdienste sind sehr zeitaufwendig. Wenn sie vom Pflegepersonal übernommen werden müssen, geht das zu Lasten der Pflege.“ In vielen Altenheimen werde es an Leuten fehlen, die mit den alten Menschen spazieren gehen, ihnen vorlesen oder mit ihnen Schach spielen.

„Das Murren vor Ort ist groß“

Was Buron skizziert, ist nicht nur ein gefühlter Mangel, sondern mit Zahlen zu belegen: Statt der derzeit gut 1000 Zivistellen will die Caritas bistumsweit 200 Plätze für den neuen Bundesfreiwilligendienst schaffen. Um sie dürften sich die 240 Caritas-Einrichtungen rangeln, die derzeit mit Zivis arbeiten. „Das Murren vor Ort ist groß“, sagt Buron.

Beim Bundesamt für den Zivildienst in Köln sind für ganz Essen 311 Kindergärten, Altenheime, Rettungsdienste, oder Behinderteneinrichtungen verschiedener Träger registriert, die über 1000 Zivildienstplätze vorhalten. „Wir stehen ja auf Ausbildungsmessen und trommeln für den neuen Dienst, der Anfang Juli startet“, sagt der Sprecher des Amtes, Roland Hartmann. Außerdem verweist er auf die dieser Tage angelaufene Werbekampagne der Bundesregierung. Hartmann betont allerdings auch, dass höchstens ein gutes Drittel der Zivi-Stellen durch BFD-Plätze ersetzt werden könne - und dass sich die Bewerber nicht gerade drängeln. „Da müssen sich die Einrichtungen selbst kümmern.“

„Wir müssen mehr als Rasenmähen anbieten“

Ein Umdenken mahnt auch Karl Buron von der Caritas an: „Die Zivis kamen automatisch und wurden auch mal für Hof-Fegen und Rasenmähen eingesetzt. Nun müssen wir auf junge Leute zugehen und ihnen eine sinnvolle Aufgabe bieten.“ Die Caritas verteile bereits Flyer und hänge Plakate auf; er selbst spreche auf Veranstaltungen wie dem Girl’s Day. Doch bislang sind ganze zwei Verträge unterzeichnet. Man wisse aus den Erfahrungen mit dem Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) schon, dass viele Eltern ihren Kindern raten, lieber gleich mit Ausbildung oder Studium zu starten.

Umso ärgerlicher sei es, dass es nun zwei Freiwilligendienste gebe, und jeder Träger nur so viele BFD-Stellen schaffen darf, wie er FSJ-Plätze anbietet. Eine Kopplung, die auch Fabienne Soddemann, Personalreferentin beim Arbeitersamariter-Bund (ASB), problematisch findet. Trotzdem sei sie zuversichtlich, für beide Dienste je 10 bis 15 Stellen anbieten zu können. „Ich glaube, es gibt einige Schulabgänger, die etwas Soziales machen wollen. Für andere ist es eine Notlösung, wenn es mit dem Studienplatz nicht klappt.“

Auch der Sprecher des Diakoniewerks, Bernhard Munzel, hofft, genügend Freiwillige zu finden, um die jetzt 30 Zivis zu ersetzen. „Wir sind nicht auf Zivis angewiesen, aber sie machen vielen Alten und Kranken das Leben angenehmer.“