Essen. . OB Paß erntet Empörung, weil er die Schmähkritik gegen die Alte Synagoge nicht zurückwies, sondern den Kritiker bestärkte. Udo Bayer, Fraktionsvorsitzender des Essener Bürgerbündnis, sagte, der Vorgang sei ein “Angriff auf die offene Gesellschaft“.

Oberbürgermeister Reinhard Paß hat mit seiner unverhohlenen Maßregelung der Arbeit der Alten Synagoge, vor allem aber mit seiner passiven bis verständnisvollen Haltung zur Schmähkritik des Integrationsbeiratsvorsitzenden Muhammet Balaban einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Balaban, auch Sprecher einer „Kommission Islam und Moscheen in Essen“, hatte in einem offenen Brief an den OB mit Hinweis auf islamkritische Diskussionen behauptet, die Alte Synagoge säe „Misstrauen, Hass, Anfeindung und Unfrieden“ in der Stadtgesellschaft. „Es wäre die Pflicht des OB gewesen, sich gegen diese absurde Attacke zu verwahren und sich schützend vor die Mitarbeiter und die Institution der Alten Synagoge zu stellen“, sagt der Fraktionsvorsitzende des Essener Bürgerbündnisses, Udo Bayer, „stattdessen hat Reinhard Paß in dieser Sache total versagt“.

Kurswechsel in der Gedenkstätte

Das Stadtoberhaupt hatte nicht Balabans Vorwürfe zurückgewiesen, sondern ganz im Gegenteil einen inhaltlichen Kurswechsel in der Gedenkstätte angekündigt. Dort müsse man sich „den Integrationsgedanken deutlich mehr zu eigen machen als dies bisher der Fall war“, so Paß. „Ich wende mich dagegen, dass die Alte Synagoge instrumentalisiert wird für eine spezifische Form von Integrationspolitik“, entgegnet Bayer. Seit jeher sei es Aufgabe des Hauses der jüdischen Kultur gewesen, alle Formen des Antisemitismus „also auch des muslimischen“ kritisch auf die Tagesordnung zu setzen. Dabei müsse es bleiben. „Der ganze Vorgang ist ein Angriff auf die offene Gesellschaft, es ist erschütternd, dass so etwas in Essen möglich ist.“

Auch die CDU reagierte entsetzt auf das Verhalten des OB. „Wenn sich der SPD-Oberbürgermeister von der Arbeit der Alten Synagoge distanziert, dann geschieht das nicht in unserem Namen!“, sagte Ratsfraktionschef Thomas Kufen. „Es ist nun mal ein Fakt, dass es Antisemitismus auch unter Muslimen und auch in Deutschland gibt. Darüber muss nicht weniger, sondern mehr gesprochen werden“, so Kufen. Es sei zudem „beschämend“, dass Paß die Arbeit der bisherigen Synagogen-Leiterin Edna Brocke derart grundlegend kritisiere. Dieser Punkt missfällt auch der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, die daran erinnert, dass der OB Brocke noch vor wenigen Wochen bei ihrer feierlicher Verabschiedung in den höchsten Tönen lobte. Die Gesellschaft, die beim von Balaban kritisierten „Donnerstagsgespräch“ als Mitveranstalter auftritt, nannte dessen Brief „anmaßend“ und warf Paß „Opportunismus“ vor.

„Hohes Gut für alle Demokraten“

Dirk Kalweit, integrationspolitischer Sprecher der CDU, hielt Balaban vor „Unfrieden“ zu stiften. Die Alte Synagoge pflegt eine offene Diskussionskultur, an der sich alle gleichberechtigt beteiligen können.“ Dies sei ein hohes Gut für alle Demokraten und zeichne Essen aus. „Im Rahmen der Meinungsfreiheit muss man auch kritische Töne akzeptieren. Und: „Entgegen der Auffassung des OB, wünschen wir uns sehr, dass diese Form der Diskussion mit dem neuen Leiter des Hauses der jüdischen Kultur, Uri Kaufmann, fortgesetzt wird.“

Einen Versuch, Scherben zu kitten, unternahm Kulturdezernent Andreas Bomheuer: „Ich lade Herrn Balaban und die Leitung der Alten Synagoge zum Gespräch ein und wünsche mir von allen am Diskurs Beteiligten, dass Worte nicht nur im Hinblick auf ihren Informationsgehalt gewählt, sondern auch auf ihre Wirkung hin bedacht werden.“