Essen.

Muhammet Balaban, Chef des Integrationsbeirats, will keine kritischen Islam-Debatten mehr. Und OB Paß gibt ihm Recht. Anlass ist die Reihe "Donnerstagsgespräche", bei der auch Kritiker des politischen Islam und des Islamismus zu Wort kommen.

Von einer Dauerspannung zu sprechen ist nicht übertrieben, und gestern ist das Verhältnis zwischen den organisierten Essener Muslimen und der Alten Synagoge eskaliert. Anlass ist die Reihe „Donnerstagsgespräche“, bei der die Leitung des „Hauses der jüdischen Kultur“ seit vielen Jahren auch Kritiker des politischen Islam und des Islamismus zu Wort kommen lässt. In einem Brief an OB Reinhard Paß hat sich Muhammet Balaban, Sprecher der „Kommission Islam und Moscheen in Essen“ darüber jetzt in scharfem Ton beschwert: „Es ist inakzeptabel, dass diese Einrichtung (...) Misstrauen, Hass, Anfeindung und Unfrieden in unserer Gesellschaft sät.“

Aktueller Anlass für diesen Frontalangriff ist eine Veranstaltung mit dem deutsch-israelischen Autor Chaim Noll am 12. Mai, der über „Antisemitismus heute“ referiert. Balaban stört im Einladungsschreiben eine Formulierung, wonach „judenfeindliche Ressentiments“ von alters her „im Islam eine fundamentale Rolle spielen“. Und: „Bis heute kann dieser traditionelle Judenhass reaktiviert und politisch instrumentalisiert werden.“

„Die Alte Synagoge ist seit langem auf einem Irrweg“

Recht harmlos formulierte Binsenweisheiten, möchte man meinen, für die sich vielfach konkrete Beispiele finden lassen. Balaban, auch Vorsitzender des Integrationsbeirates, will hier indes eine generelle Herabsetzung des Islam erkennen. Verwundert sei er darüber nicht, denn: „Die Alte Synagoge ist seit langem auf einem Irrweg.“ Er akzeptiere zwar, dass man in einer Demokratie über alles diskutieren dürfe, auch über den Islam. Aber: „Das kann meinetwegen in einer Kneipe geschehen, aber nicht in einer öffentlichen Einrichtung wie der Alten Synagoge, die ich mit meinen Steuergeldern mitfinanziere“, so Balaban zur WAZ.

Der gebürtige Türke forderte den OB auf, dafür zu sorgen, dass es in der Gedenkstätte künftig „integrativer“ zugehe, nicht mehr so konträr und streitbar. „Das treibt uns doch nur auseinander.“ Und der Erfolg kam prompt: Reinhard Paß findet das auch. „Vielen Dank für Ihr Schreiben (...), in dem Sie zu Recht auf die mindestens unglücklichen Formulierungen im Ankündigungstext der Alten Synagoge für das Donnerstagsgespräch hinweisen“, so der OB in seiner Antwort. Und weiter: „Ich bedauere sehr, dass bei Ihnen der Eindruck entstanden ist, dass die Alte Synagoge ,islamfeindlichen Tendenzen Anschub leistet und Rückhalt bietet’ und bin der Auffassung, dass ein solcher Eindruck nicht entstehen darf.“

Muhammet Balaban darf sich also vom Stadtoberhaupt persönlich bestätigt sehen. Das gilt auch für seine Forderung, dass dem Wechsel an der Spitze der Synagoge - die langjährige Leiterin Edna Brocke ging jüngst in Pension - nun auch ein inhaltlicher Wandel folgen müsse. Auch Paß erwartet - fast wie bestellt -, „dass die neue Leitung der Alten Synagoge sich den Integrationsgedanken deutlich mehr zu eigen macht als dies bisher der Fall war“, schreibt er.

„Nicht immer wohl werden Worte sorgfältig genug gewählt“

Kulturdezernent Andreas Bomheuer pustet ins gleiche Horn, wenn auch sanfter: „Nicht immer wohl werden Worte sorgfältig genug gewählt“, orakelt Bomheuer. „Polemik und Provokation“ seien in kontroversen Diskussionen gebräuchliche Stilmittel, doch „sie verschärfen auch unnötig den Ton“. Keinesfalls jedoch sei „die Veranstaltungsankündigung der Alten Synagoge als Herabsetzung islamischen Glaubens zu deuten“.

So blieb es städtischerseits allein Brockes langjährigem Stellvertreter und kommissarischen Synagogen-Chef Peter Schwiderowski vorbehalten, Balabans Ansinnen zurückzuweisen. „Wenn wir uns auf diese Weise einschüchtern ließen, wäre das das Ende der Meinungsfreiheit.“ Unbestritten gebe es antisemitische Tendenzen im Islam, und über die wolle und müsse man reden. „Herr Balaban ist herzlich eingeladen zu hören, was Chaim Noll zu sagen hat und mitzudiskutieren.“ Balaban hat abgelehnt.