Essen. Vor 60 Jahren wurde der Bundesgrenzschutz gegründet. Der Aufgabenbereich der Behörde, die seit 2005 “Bundespolizei“ heißt, hat sich im Vergleich zu den ersten Jahren deutlich verschoben. Hauptkommissar Jürgen Karlisch hat den Wandel miterlebt.

Seit seiner Gründung 1951 war der Bundesgrenzschutz (BGS) fast vier Jahrzehnte lang zuständig für die Sicherheit an Deutschlands Grenzen (vor allem der östlichen) und den Schutz von Bundeseinrichtungen im In- und Ausland. Mit dem Fall der Mauer und der innereuropäischen Grenzen durch das Schengen-Abkommen fiel seine Kernaufgabe weg. Heute hat sich die Bundesbehörde komplett neu aufgestellt. Und Hauptkommissar Jürgen Karlisch hat den Wandel miterlebt.

1972 hat Karlisch beim damaligen Staatsunternehmen Deutsche Bahn den mittleren Dienst begonnen, kümmerte sich als Fahrdienstleiter um die Stellwerke in Gelsenkirchen und Wanne-Eickel. „Auf dem Stellwerk war es einsam“ - und Karlisch wollte mit Menschen arbeiten. 1980 wurde er deshalb „Bundesbahnsekretär im Bahnpolizeidienst“. Ging Streife in Bahnhöfen, begleitete Fan-Sonderzüge und spezialisierte sich auf die Jagd nach Taschendieben.

Als "Hilfspolizisten" verhöhnt

Der große Umbruch kam 1992. Der eiserne Vorhang war gefallen, das Schengener Abkommen mit dem Wegfall der Grenzkontrollen war in Sicht. Da traf es sich gut aus Sicht des Bundes, dass die Bahn für den Börsengang vorbereitet werden sollte und vorher die hoheitlichen Aufgaben der Staatsbahn aus dem Unternehmen heraus operiert werden mussten. Ab 1. April ‘92 übernahm der Grenzschutz die Aufgaben der Bahnpolizei und die Sicherung des Luftverkehrs. Mit 3000 Bahnpolizisten wechselte Jürgen Karlisch als Polizeihauptmeister zum Grenzschutz, die Bahnpolizeiwache im Tunnel zu Gleis 21 des Hauptbahnhofs wurde zur BGS-Wache.

Nicht, dass die neuen Kollegen herzlich willkommen gewesen wären: Als „Hilfspolizisten“ wurden sie von den altgedienten Grenzschützern verhöhnt. Karlisch: „Die haben aber schnell gemerkt, dass sie ohne unser enormes Fachwissen über den Bahnbetrieb mit ihrer neuen Aufgabe nicht sehr weit kommen würden.“ Karlisch jagte als Zivilfahnder Taschendiebe, die es auf Reisende in Nachtzügen abgesehen hatten.

Weitere Umstrukturierungen folgten

Ende der 90er Jahre begannen die Ordnungsbehörden im Konsens mit den Hilfseinrichtungen die Zerschlagung der Hauptbahnhofs-Drogenszene; bis zu 5000 Süchtige hatten in den schlimmsten Zeiten in Essen ihre Treffpunkte. Die Kombination aus Verfolgungsdruck und Hilfsangeboten nennt Karlisch heute „einen Geniestreich“; er selbst war als Drogenfahnder dabei.

Weitere Umstrukturierungen folgten. 2005 wurde der Grenzschutz umbenannt in „Bundespolizei“. Mit der Neuorganisation 2008 verliert Essen den Status als Inspektion und die Zuständigkeit für Duisburg und Oberhausen. Karlisch, bekennender Schalker, muss umziehen zum Inspektionssitz in Dortmund.

Fußballeinsätze sind Hauptbelastung der Bundespolizei

330 Beamte tun in der neuen Inspektion Dortmund Dienst, sichern 600.000 Menschen, die täglich auf 1300 Kilometern Schienennetz mit 200 Bahnhöfen und Haltepunkten unterwegs sind. An der Herkulesstraße im Südostviertel bleibt ein Revier, der Ermittlungsdienst und die Kriminaltechnik.

Fußballeinsätze sind auch heute noch eine Hauptbelastung der Bundespolizei. „Von Freitag bis Montag ist immer ein Stadion im Ruhrgebiet voll.“ Karlisch beklagt wie die Kollegen von der Landespolizei eine „Verrohung und sinkende Akzeptanz der Polizei“ - und das nicht nur bei Fußballfans. Neben den Einsätzen gegen Taschendiebe an Bahnhöfen und in Zügen, Ausweiskontrollen und dem Kampf gegen Schleuserbanden haben die explodierenden Rohstoffpreise das Ermittlungsgebiet Kabel- und Weichenklau beschert. Die Diebe werden immer waghalsiger, haben zuletzt Seile an Fahrdrähten mit 15.000 Volt gekappt. Karlisch schüttelt den Kopf und sagt nur: „Lebensgefährlich.“