Essen. .
Die Gruga ist schön - wenn man über viele Vernachlässigungen hinwegsieht, sagt Gartenbau-Expertin Dorothee Waechter. Dennoch bringt sie es auf den Punkt: „Mich macht traurig, wie vernachlässigt die Gruga ist.“
Im Kampf gegen die Messe-Pläne scheint derzeit jedes Mittel recht - siehe die Ramm-Aktion auf den Wiesen. Wenn es um das Abzählen von Quadratmetern geht, ist der Freundeskreis Gruga zweifellos auf Zack. Aber wer kümmert sich eigentlich um die Ästhetik von Essens vermeintlichem Vorzeigepark, um Pflanzenreduzierung, Übermöblierung, Pommes- und Event-Kultur, um schmuddelige Bänke und überbreite Asphaltwege, auf denen mühelos zwei Lastwagen aneinander vorbeikämen?
Verrottende Wasserbecken scheinen ebenso wenig von großem Interesse wie das Schicksal des alten Pavillons an der großen Spielwiese oder der Zustand der event-geschädigten Wiesen. Gartenbau-Expertin Dorothée Waechter bringt es so auf den Punkt: „Mich macht traurig, wie vernachlässigt die Gruga ist.“
Schleichend gewöhnt
Das tut auch deshalb weh, weil Waechter schon viele Parks gesehen hat, aber nur wenige mit soviel Substanz, Tradition und potenzieller Schönheit. Wer genau hinsieht, wer sich nicht in Jahrzehnten schleichend an vieles gewöhnt hat, dem fällt jedoch die Lieblosigkeit, das ästhetische Unvermögen und gewiss auch die Finanznot ins Auge. Die Gruga muss vielen Herren dienen. Das mag gut sein für die Besucherbilanz, ist aber schlecht für die gärtnerische Substanz. „Hier herrscht große Genügsamkeit, was auf Dauer nicht funktioniert.“
Protest im Grugapark
Ein Park sei nun einmal gestaltete Natur, nicht Wildwuchs und auch kein Wald. „Seit Ende der 1980er Jahren glaubt man, Öko mit Sparen verknüpfen zu können, und dieses Denken ist in der Gruga nicht zu übersehen.“ Wer mit Gruga-Verantwortlichen redet, hat mitunter das Gefühl, den Park gäbe es in erster Linie, damit die „Essener Arbeit- und Beschäftigungs-GmbH“ ein Betätigungsfeld hat. So ist vielleicht zu erklären, dass etwa die Grüncontainer gerne übers Wochenende einfach da stehen bleiben, wo sie gerade sind. Schönheits-Kriterien sind in diesem Denken allenfalls zweitrangig.
Gleich am Haupteingang am „Wassergarten“ setze die Gruga ein unschönes Ausrufezeichen, kritisiert Waechter. „Nichts gegen einen Biergarten unter Kastanienbäumen, aber dieser wirkt unbehaust und wie hingezimmert mit seinen Zelten und Werbeschirmen.“ Kasse machen okay, „aber an der Gruga bitte mit einem Minimum an Stil“.
„Kann ich mich hier wegträumen, fühle ich mich hier wirklich wohl?“
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Auch manches Neue, sagt Waechter, wirkt allenfalls gut gemeint. Beispielhaft nennt sie die Holzbänke und Holzterrassen am neu gestalteten Margarethenteich, die ohne jede Umfriedung aufgestellt wurden. „Kann ich mich hier wegträumen, fühle ich mich hier wirklich wohl?“, fragt sie mehr rhetorisch als ernsthaft. Es wirke so, als hätte man 5000 Euro übrig gehabt und diese dann irgendwie verbaut.
Das neue „Rosenzimmer“ sei immerhin gelungen. Doch gerade im Umfeld der traditionellen Rosengärten beleidige allerlei „Gerümpel“ das Auge: Stromkästen, Papierkörbe aller Formen und Farben, und eine Übermöblierung mit Bänken aller Art. Wohltuend sei da im Verglkeich die Stilsicherheit der 1950er Jahre, wie sie etwa bei mancher Bruchsteinmauer noch zu sehen ist.
Nach Ansicht der Gartenbau-Ingenieurin tut die Gruga-Verwaltung zu wenig, um die Bürger stärker einzubeziehen, etwa mehr Sponsoring möglich zu machen. Ein Beispiel: Im Schloss Nordhausen im Münsterland gebe es eine „Hochzeitsallee“, zu der frisch getraute Paare jeweils ihren persönlichen Beitrag leisten, indem sie einen Baum sponsern. „Sowas klappt durchaus, aber natürlich muss die Park-Verwaltung auch mal ein bisschen Phantasie entwickeln.“
Ironischerweise gebe es mit der Pflanzenmesse IPM die Leitveranstaltung der Branche direkt nebenan in der Messe. „Aber man hat nicht das Gefühl, dass etwas rüberschwappt.“ Auch Werbung und Marketing in Sachen Gruga hält Waechter für ziemlich altbacken. Essen erwecke nicht den Eindruck, als ob die Stadt an ihren Parks und Gärten wirklich hänge, und das betreffe nicht nur die Gruga. „Dabei sind die Themen Grün und lebenswerte Stadt doch Image-Faktoren.“ Essen und die Gruga müsste n aufpassen, dass sie nicht den Anschluss verlören. „Und das ist nicht nur eine Frage des Geldes.“