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Essen. Darf im Essener Süden nach Gas gebohrt werden? Die Frage umtreibt die BASF-Tochter Wintershall - und den Essener Rat. Es geht vor allem um das Bohrverfahren. Die Wasserwirtschaft an der Ruhr ist in Sorge. Das Land tritt auf die Bremse.

Der Energiehunger ist nicht gerade kleiner geworden, seit die Atom-Option schneller zu enden scheint als geplant. Was läge näher, als auch nach heimischen Gas zu suchen? Ob es Schiefergas tief im Boden des Essener Südens gibt, interessiert in diesen Tagen aber nicht nur die BASF-Tochter Wintershall, sondern auch den Essener Rat - und zwar in fraktionsübergreifender Sorge. Spätestens seit Gelsenwasser-Chef Manfred Scholle als Sprecher der Wasserwirtschaft an der Ruhr vor den Gefahren des „unkonventionellen Erdgases“ für das Trinkwasser gewarnt hat, schrillen allerorten die Alarmglocken. „Bergbaurecht ist wie Kriegsrecht. Wenn die bohren wollen, dann machen die das“, warnt der Kettwiger CDU-Ratsherr Guntmar Kipphardt. Am Freitag zog das Land NRW vorsorglich die Reißleihne und verfügte einen Stopp für Probebohrungen, bis ein Gutachten zur Umweltverträglichkeit vorliegt.

Ob Wintershall überhaupt bohren wird, ist allerdings noch gar nicht entschieden. Bislang hat das Unternehmen von der zuständigen Bergbaubehörde, der Bezirksregierung Arnsberg, nur die Genehmigung erhalten, zwei „Aufsuchungsfelder“ in NRW genauer unter die Lupe zu nehmen. Die Konzessionen gelten für „Rheinland“ und „Ruhr“, erstrecken sich über ein Areal von 3900 Quadratkilometer und liegen zwischen der deutsch-niederländischen Grenze im Westen und dem Sauerland im Osten, aber eben auch genau über den Trinkwasser-Gebieten, zum Beispiel im Süden Essens. Und damit beginnt der Streit.

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Von DerWesten

Es geht vor allem um das Bohrverfahren: Sollte Wintershall das „Fracking“ anwenden, würden große Mengen an Wasser, Sand und Chemikalien in die Tiefe gepresst, um das Gas zu lösen. In Niedersachsen führte das zu Benzol und Quecksilber im Trinkwasser. „Pro Bohrung rund 20 Millionen Liter Wasser“, hat Guntmar Kipphardt ausgerechnet, „mit vielen giftigen Chemikalien, die nicht ins Trinkwasser gehören“.

Geologische Erkundung

Dass die Umweltverträglichkeit erst ab einer Fördermenge von 500 000 Kubikmeter je Bohrloch geprüft werden soll, lässt selbst die FDP schimpfen: „Wir gefährden das Trinkwasser für vier Millionen Menschen“, warnt Fraktionschef Hans-Peter Schöneweiß. Für Bürgermeister Rolf Fliß von den Grünen steht fest: „Die dürfen keine Genehmigung für eine Bohrung erhalten.“

So sehen es auch die Stadtwerke. „Wintershall sagt, sie gehen gar nicht ins Grundwasser“, sagt Sprecher Dirk Pomplun. „Das mag ja stimmen, aber dafür wird das tiefer liegende Grubenwasser belastet. Und das pumpen wir nach wie vor in die Ruhr, aus der wir dann das Trinkwasser gewinnen.“ Die Stadtwerke am Fluss seien da sehr klar in ihrer Meinung: „Alles, was das Trinkwasser gefährden könnte, muss unterbleiben.“ Und ein Genehmigungsverfahren „im Schnelldurchgang“, wie es das Bergrecht ermögliche, „davor können wir nur warnen“. Die Botschaft scheint angekommen: Die Landesregierung will nicht nur das unkonventionelle Erdgas unter die Lupe nehmen, auch am Bergrecht plant man gesetzliche Änderungen. Klar ist jedenfalls: Vor dem Herbst oder Winter wird sich kein Bohrer in Essens Erdreich wühlen.

„Von einer Gasförderung sind wir noch sehr weit entfernt“, heißt es bei Wintershall, wo man versucht, Ängste zu nehmen: „Unsere Aktivitäten beschränken sich in den nächsten drei Jahren ausschließlich auf die geologische Vorerkundung“, sagt ein Sprecher. „Tiefenbohrungen oder Frac-Operationen sind dabei sowieso nicht geplant.“ Im April werde Wintershall sagen können, wo man auf dem Feld „Ruhr“ die bis zu fünf „flachen Kernbohrungen“ bis in eine Tiefe von 200 Metern vornehmen möchte, um zu sehen, ob die Gesteinsschicht auf Schiefergas hinweist. „Das wird uns pro Bohrung einen hohen sechsstelligen Betrag kosten, deshalb prüfen wir im Vorfeld sehr genau, wo wir bohren.“ Letztlich sei die Frage, ob sich Schiefergas überhaupt „wirtschaftlich, nachhaltig und umweltverträglich“ fördern lasse, noch gar nicht geklärt.

Zumindest bei der Umweltverträglichkeit steht da für viele die Antwort bereits fest.