Essen. . Um das Gelände des Autokinos in Essen entwickelte sich ab 1991 der wohl größte halb- bis illegale Automarkt Europas. Käufer aus Osteuropa campierten teilweise Tagelang am Straßenrand und verängstigten die Anwohner. Inzwischen geht es gesitteter zu.
Der Fall des Eisernen Vorhangs zwischen West- und Osteuropa hat die Welt ein Stück sicherer gemacht. Nur nicht in Bergeborbeck. Dort leitete das welthistorische Ereignis einen zwölf Jahre dauernden Belagerungszustand ein. Als die Osteuropäer sich nach Westen wandten, um ihren Hunger nach Autos zu stillen, landeten sie am Autokino.
Dort betreibt die Starnberger Firma „Autoprivat“ seit 1974 auf dem Gelände des Autokinos an der Stadtgrenze zu Bottrop einen samstäglichen Automarkt, inzwischen der größte private Automarkt Europas mit 2000 angebotenen Fahrzeugen und bis zu 15.000 Interessenten. Ab 1991 entwickelte sich um diese Keimzelle herum der wohl größte halb- bis illegale Automarkt Europas.
Kein Geld für Übernachtungen
Käufer aus Ost- und Südosteuropa reisten zum Teil schon am Mittwoch an, campierten am Straßenrand in ihren Kleinbussen und Autotransportern und versuchten am Samstag die Anbieter auf dem legalen Automarkt schon auf der Straße abzufangen. Sie hatten Tausender für den Autokauf in der Tasche, aber kein Geld für Übernachtungen oder Mahlzeiten. Die Wohngebiet rund ums Autokino wurden Müllhalde, wilder Campingplatz und Großklo.
Die verzweifelten Anwohner gründeten Bürgerinitiativen und berichteten von Überfällen, Schlägereien und Straßenraub. „Nachts wurden wir wach von Schüssen und Hilfeschreien“, erinnert sich eine Anwohnerin.
Die Stadt versuchte das Übel an der vermeintlichen Wurzel zu packen und versuchte den Autohandel in Bergeborbeck zu verbieten. Damit scheiterte sie im Streit mit „Autoprivat“ 1996 vor dem Verwaltungsgericht. Parallel praktizierte sie eine Strategie der Nadelstiche. Ein Verkaufsschild im Auto galt als „unzulässige Sondernutzung“, die Stadt sprach ein Nächtigungsverbot aus. Ein Ergebnis: Die wilde Szene wanderte zeitweise nach Bottrop ab.
Umschlagplatz Autokino
60.000 Knöllchen geschrieben
Auch die Polizei arbeitete sich an dem Thema ab. Im November 1998 legten 500 Polizisten ihren legendären Riegel um das Gebiet und kämmten es durch. 17.000 Autos hat die Stadt dort über die Jahre abgeschleppt und 60.000 Knöllchen geschrieben. Doch die Strahlkraft des Autokinos gen Osten blieb ungebrochen. Ein resignierter Ordnungsdezernent Ludger Hinsen sagte: „Zwei Drittel der Wegstrecke haben wir erreicht. Aber wir bleiben stecken in einem Bodensatz.“
Der damalige Polizeipräsidenten Herbert Schenkelberg fand 2003 dann die Erfolgsformel für eine Ordnungspartnerschaft, die so durchschlagenden Erfolg hatte, dass das Land sie ein Jahr später mit dem „Landespreis Innere Sicherheit“ belohnte (Schenkelberg brachte dies später die Beförderung zum Polizeipräsidenten der Landeshauptstadt). Seine Erfolgsformel: Nicht gegen den, nur mit dem Automarkt war der Kampf zu gewinnen. „Wir müssen den legalen Teil stärken und den illegalen bekämpfen.“
Parkverbote verärgern RWE-Fans bis heute
Autoprivat bekam endlich die lange geforderte Zulassungsstelle vor Ort, so dass die Ost-Kunden schon am Samstag wieder heim fahren konnten, statt bis Montag früh, wenn das Straßenverkehrsamt öffnete, dort zu campieren. Günstige Übernachtungen wurden angeboten, günstige Stellplätze. Im Gegenzug verhängte die Stadt ein rigoroses Kfz-Handelsverbot rund ums Autokino und verhängte weiträumige Parkverbote, die Fans von RWE bis heute tief verärgern. Die Polizei trug mit massiven Kontrollen dazu bei, die Autokäufer auf das Kinogelände zu drängen.
Straftaten gibt es heute immer noch am Autokino. Der Zoll ist regelmäßiger Gast auf den Donnerstags-Flohmärkten. Doch der Belagerungszustand ist aufgehoben. Die Anwohner ärgern sich zuweilen. Aber die allgegenwärtige Angst, die ist verschwunden.