Essen. .
Seit der Straßenstrich auf den Kirmesplatz gezogen ist, ist die Prostitution fast aus dem Stadtbild verschwunden. Die Polizei stellt fest: Das Leben der Frauen ist sicherer geworden. Täglich sind 30 bis 35 von ihnen auf Freiersuche.
Auch interessant
Zwei Jahre nach der Umsiedlung des Straßenstrichs auf den Kirmesplatz sind Erfolgsmeldungen zu hören. Gut für die Frauen: Es gibt kaum noch Gewalt. Gut für Stadt und Bürger: Die Prostitution ist fast aus dem Stadtbild verschwunden. Gut für die Polizei: Rund um den Kirmesplatz ist die Kriminalität gesunken. Und Städte mit vergleichbaren Problemen staunen: Wie machen die Essener das bloß?
„An alle Frauen!!! Betr.: Vergewaltiger“. Jahrelang haben Frauen vom Straßenstrich auf einem riesigen Plakat im „Cafe Schließfach“ alle Freier aufgelistet, die sie betrogen, beraubt, missbraucht und vergewaltigt haben. Heute hängt im „Strich-Punkt“, dem Cafe für die Prostituierten auf dem Kirmesplatz, ein einsamer Zettel: Er warnt vor einem Russen, der nicht bezahlen will.
„Das Leben der Frauen ist sehr viel sicherer geworden“, sagt Norbert Piorrek, Chef des KK 12 und zuständig für Sexualdelikte. „Seit dem Umzug hat es nur noch drei Vergewaltigungen gegeben.“ Die Freier benehmen sich, weil sie unter Beobachtung stehen. Mehr als die Hälfte der Frauen nutzen die „Verrichtungsboxen“ auf dem Gelände, so dass der Sex sicherer stattfindet, weil nicht in einem einsamen Gewerbehof oder Waldstück.
Zahl der Einbrüche deutlich gesunken
Mit Kontrollen in Uniform und in Zivil hat die Polizei auf dem Gelände und in der Nachbarschaft Flagge gezeigt. Ergebnis: Von Drogen- oder Beschaffungskriminalität sind die Anwohner und Anlieger anders als befürchtet weitgehend verschont Nebeneffekt: Auch in den benachbarten Wohnviertel und Gewerbegebieten ist die Zahl der Einbrüche deutlich gesunken - wegen der hohen Polizeipräsenz.
Aus einer Gesamtzahl von mehr als 300 Frauen sind täglich zwischen 30 und 35 auf dem Kirmesplatz auf Freiersuche. Nicht nur sicherer ist ihre Arbeit geworden, sondern im Wortsinn betreuter: „Wir haben ein ganz anderes Verhältnis zu den Frauen aufbauen können“, sagt Janina Znajewski, die im Container auf dem Kirmesplatz die Frauen betreut.
Als der Straßenstrich noch per Sperrbezirksverordnung vom Bankenviertel in der Innenstadt über die Münchener Straße im Westviertel bis zur Helenen- und Pferdebahnstraße immer wieder vertrieben worden war, hatten die Frauen oft eine halbe Stunde Fußweg zum Betreuungs-Bus des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF). „Halbe Stunde hin, halbe Stunde Reden, halbe Stunde zurück - machte anderthalb Stunden Einnahmeausfall für die Frauen“, rechnet die Sozialarbeiterin vor. „Heute sage die Frauen: Ist gerade nix los, da gehen wir doch mal im Strich-Punkt einen Kaffee trinken.“
„Die ersten sechs Wochen möchte ich nicht nochmal erleben“
Sozialdezernent Peter Renzel ist besonders stolz darauf, dass durch die Umgestaltung des Kirmesplatzes der Stra0enstrich fast aus dem Stadtbild verschwunden ist. Renzel: „Der Außenstehende nimmt ihn nicht mehr wahr. Das stärkt das Gefühl für Sicherheit der Bürger.“
Alles gut also auf dem Straßenstrich? Natürlich nicht. „Die ersten sechs Wochen möchte ich nicht nochmal erleben“, erinnert sich Janina Znajewski. „Als die ersten Wohnwagen anrollten, habe ich nur darauf gewartet, dass einer der Zuhälter die Waffe zieht und sich einen Platz frei schießt.“ Immer noch schaffen hier drogenkranke Frauen an und junge Bulgarinnen, die zum Teil von ihren Familien zur Prostitution gezwungen werden. Es gibt Verdrängungsdruck durch osteuropäische Prostituierte, die die Freier schon an der Gladbecker Straße abzufangen versuchen. Dennoch sagt Peter Renzel: „Wir sind stolz auf die sehr gute Zusammenarbeit mit Polizei, Hilfsorganisationen und anderen Stadtämtern. Ohne dieses Teamwork hätten wir diesen Erfolg nicht erreicht. Aber natürlich müssen wir weiter dran bleiben.“