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Ein Unternehmen kauft Kleingartenanlagen auf und veräußert sie an Eigentümergemeinschaften weiter. Der Stadtverband der Kleingärtner fürchtet ums Gemeinwohl und um Einfluss.

Friede den Hütten? Von wegen! Im Kleingartenwesen ist Feuer unterm Laubendach. Der Stadtverband der Kleingärtner, Interessenvertretung von 9000 Laubenpiepern zwischen Karnap und Kettwig, hat private Konkurrenz bekommen durch die Deutsche Gartenland GmbH. Das Immobilienunternehmen mit Sitz in Düsseldorf hat jüngst 140 Gärten von RWE Systems, dem bisherigen Eigentümer, übernommen, und bietet diese nun zum Kauf an. Interessenten können Anteile erwerben, vergleichbar mit einer Eigentümergemeinschaft in einem Mehrfamilienhaus. Wer nicht kauft, bleibt Pächter, verspricht Geschäftsführer Niels Hardorp.

„Eine Spielwiese
für Reinkapitalisten“

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Von DerWesten

Töne wie diese klingen vertraut und erinnern an die Privatisierungswellen auf dem Wohnungsmarkt. So überrascht es nicht, dass Stadtverbandsvorsitzender Heinz Schuster von der Kapitalisierung des Kleingartenmarktes warnt. „In unserem Staat muss man immer aufhorchen, wenn Reinkapitalisten eine neue Spielwiese mit dem Ziel Geld zu verdienen, entdecken“, so heißt es nicht etwa in einer linken Kampfpostille, sondern im Grünen Boten, der Hauszeitschrift des für linksextreme Positionen bislang unverdächtigen Stadtverbandes.

Tatsächlich bietet die Deutsche Gartenland GmbH Kleingartenland für ein Vielfaches des Kaufpreises ein. Etwa 28 Euro pro Quadratmeter müssen Interessenten berappen. Zwischen sechs und elf Euro bewegt sich der Einkaufspreis nach Angaben des Stadtverbandes. Dessen Kritik lässt Niels Hardorp nicht gelten: Er selbst habe doch von Verbandschef Schuster gelernt. Der Geschäftsmann spielt auf das so genannte Essener Modell an. Gemeint ist die Kleingartengrund- und Boden GmbH. Die 100-prozentige Tochtergesellschaft des Stadtverbandes hat in den vergangenen Jahren stadtweit jeden fünften Kleingarten aufgekauft, um diese an Mitglieder zu verpachten. Der feine Unterschied: Die GmbH ist gemeinnützig.

So fürchtet der Stadtverband ums Gemeinwesen und um Einfluss. Denn eines mag Schuster nicht verhehlen: Die private Konkurrenz beackert eine Marktlücke. Vor allem Jüngere wollen sich nicht mehr gängeln lassen durch Kleingartenordnung und Vereinsmeierei. Sie wollen selbst entscheiden, wenn es darum geht, ob sie in ihrem Garten ein Planschbecken aufstellen oder einen Hund halten.

„Die Vereinsstruktur geht kaputt“, fürchtet Schuster, erkennt aber selbst längst Handlungsbedarf. Noch ist es ein zartes Pflänzchen, das da wächst: Schuster hat es auf den Namen „Bürgergarten“ getauft. Die Idee: Was erlaubt ist und was nicht im Bürgergarten, diktiert nicht das Kleingartengesetz, sondern allein das bürgerliche Gesetzbuch. „Niemand muss seine Radieschen zählen lassen“, verspricht Schuster. Aus Laubenpiepern würden freie Bürger. Das hat seinen Preis: Pro Quadratmeter müssten sie 60 Cent Pacht zahlen statt wie bislang 26 Cent. Im kommenden Jahr will der Stadtverband die ersten Bürgergärten anbieten. Welches Modell aufblüht, entscheidet dann der Markt.