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Proteste drohen, wenn die Stadt die Asyl-Unterkünfte öffnet. Viele Anwohner haben früher schlechte Erfahrungen gemacht. „Niemand will sie haben“, weiß Bernd Brack von Pro Asyl, der sich für eine menschenwürdige Behandlung einsetzt.
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Wolfram Schmitz hat einen dicken Hals. Aus der WAZ musste er erfahren, dass die Stadt das Flüchtlingsheim an der Sartoriusstraße in Rellinghausen wieder öffnen will. „Das wollen wir doch mal sehen“, schimpft der 65-jährige Handwerksmeister. Schmitz wohnt gleich nebenan und droht der Stadt mit rechtlichen Schritten.
In der ehemaligen Zechenkolonie hat die Nachricht längst die Runde gemacht: Die Stadt braucht dringend Platz, weil wieder mehr Menschen Asyl suchen. Die Leute sind misstrauisch, machen sich Sorgen. „Dann sollen sie auch die Polizeistation verstärken“, sagt Werner Heil, der auch in der Kolonie zu Hause ist und auf dem Rückweg vom Einkaufen vor den Containern stehen bleibt. Anfang der 90er Jahre hatte die Stadt den Fertigbau aufgestellt, um Aussiedler darin unterzubringen. Später zogen Asylsuchende ein, Familien aus dem Libanon und der ehemaligen Sowjetunion.
Vor vier Jahren wurde die Notunterkunft geschlossen. Aus dieser Zeit rühren Erinnerungen. „Ständig war die Polizei hier“, erzählt Wolfram Schmitz. Nachbarn berichten von Lärmbelästigungen, von Diebstählen. Nichts habe man über Nacht noch draußen stehen lassen können, klagt Werner Heil. Und dann sei da noch „diese Sache mit dem Mord“ gewesen, heißt es immer wieder mit gesenkter Stimme. Im Januar 2002 war eine Juwelierin in ihrem Laden auf der Rellinghauser Straße erstochen und ausgeraubt worden. Ein 16-Jähriger stand Schmiere. Der Jugendliche und einer der Täter kannten sich aus dem Wohnheim.
Dutzende Anrufe bei der Verwaltung
Diffuse Ängste machen sich breit in der Nachbarschaft. Jene, die bald in das Flüchtlingsheim einziehen werden, haben persönlich mit all dem nichts zu tun, werden aber in Sippenhaft genommen. Die Verantwortlichen im Rathaus müssen mit den Sorgen der Bevölkerung umgehen. „Warum hier“, fragt Wolfram Schmitz. Anderswo dürfte die gleiche Frage gestellt werden.
Dutzende von Anrufen sind bei der Verwaltung bereits eingegangen, seit publik wurde, dass die Stadt erneut Flüchtlingsunterkünfte öffnen wird. Wüste Beschimpfungen hätten sich die Mitarbeiter anhören müssen, heißt es. Diesmal sind es Roma aus Ex-Jugoslawien, die Asyl suchen. Ihre Heimat verlassen sie aus wirtschaftlicher Not. „Niemand will sie haben“, weiß Bernd Brack vom Flüchtlingsrat Pro Asyl, der sich für eine menschenwürdige Behandlung einsetzt.
Wo aber sollen die Leute hin? Aus dem Papier, dass die Sozialverwaltung dem Rat der Stadt vorgelegt hat, spricht die nackte Not. Vorgefühlt hat sie sogar in Düsseldorf, wo Flüchtlinge in den 90er Jahren auf Hotelschiffen einquartiert wurden. Weil die Kosten und der Personalaufwand unverhältnismäßig hoch gewesen seien, hat die Verwaltung diese Idee gleich wieder verworfen. Wo sollten die Schiffe auch festmachen? Auf dem Baldeneysee? Ein bizarrer Gedanke. Auch das Aufstellen von Zelten scheide in der kalten Jahreszeit aus. Die Heizkosten wären „eine unkalkulierbare Größe“. Immerhin: Der Allbau hat der Stadt leerstehende Wohnungen angeboten, vier an der Zahl.
„Man lässt sie dann weitgehend allein“
So kommt die Verwaltung auf das Naheliegende, auf jene Flüchtlingsheime, die leer stehen. Sogar das ehemalige Kutel-Gelände am Overmannshof bringt sie ins Gespräch und provoziert prompt Widerstand aus der Politik. Unwürdig seien dort die Zustände in den 90er Jahren gewesen, als 300 Flüchtlinge in Containern untergebracht waren, klagt die Linkspartei und warnt davor, den Standort wiederzubeleben. Die Sorge dürfte unbegründet sein, nicht nur wegen der zu erwartenden Kosten von mehreren 100 000 Euro. Das ehemalige Kutel liegt im Landschaftsschutzgebiet. Um es daraus zu befreien, müsste die Verwaltung nachweisen, dass es keine Alternative gibt.
An der Sartoriusstraße und Auf’m Bögel in Haarzopf, der zweiten Unterkunft, die wieder geöffnet wird, sollte die Instandsetzung gestern beginnen. In wenigen Monaten sollen die ersten Menschen einziehen. „Man lässt sie dann weitgehend allein“, weiß Bernd Brack, was aber auch für die Anwohner mit ihren Sorgen gilt. Eine intensive soziale Betreuung wird die Stadt nicht leisten können. Was bleibt? Die Hoffnung auf privates Engagement. In Haarzopf wollen sie jetzt den Flüchtlingsrat wiederbeleben.