Essen. .

Die Speakers’ Corner am Unperfekthaus in Essen hat sich der Bund der Steuerzahler für die Vorstellung seines „Schwarzbuchs“ ausgesucht. Passanten nehmen das Debattier-Forum allerdings kaum wahr.

Schon um kurz nach elf Uhr müssen Bärbel Hildebrand und Jens Ammann vom Bund der Steuerzahler (BdSt) aufgeben und Laptop und Beamer wieder einpacken: „Das Licht reicht nicht.“ Und das bei der Präsentation des Schwarzbuchs, für das sich die Steuerwächter die Speakers’ Corner am Unperfekthaus ausgesucht haben. Bärbel Hildebrand macht trotzdem das beste draus. Schnappt sich das schwarze Buch, mit dem der BdSt die Verschwendung öffentlicher Mittel in Bund, Land und Kommunen alljährlich anprangert, erst mitten auf der Friedrich-Ebert-Straße, dann oben auf der Speakers’ Corner. Wettert mit voller Stimme gegen eine computergesteuerte Kameraschienenbahn, die in Duisburg seit Jahren nur „verwackelte und unscharfe Aufnahmen“ liefere, dafür aber hunderttausende Euro an Steuermitteln verschlungen habe. Ein Skandal, öffentlich angeprangert, Speakers’ Corner könnte so sein. Kameraleute filmen, Fotografen drücken auf den Auslöser.

Zugige Passage

Die Essener bekommen davon fast nichts mit. Der Himmel ist wolkenverhangen, trotz milder Temperaturen ist es frisch. In die zugige Passage zwischen dem Einkaufszentrum Limbecker Platz und dem Unperfekthaus verirrt sich um diese Zeit nur der, der muss. Ins Gespräch mit den Steuerzahlern haben die Steuerwächter kommen wollen – ein Experiment: „Es hätten ein paar mehr sein können“, sagt Bärbel Hildebrand hinterher.

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Von DerWesten

Ein Rentner schaut vorbei: „Ich finde das richtig, was die machen. Es wird viel zu viel verschwendet.“ Was ihm in Essen beispielhaft einfällt: das Chaos um die Pflasterung am Hauptbahnhof. „Wir müssen bezahlen, was andere verzapfen“, schimpft der Mann. Er lässt sich von der Presse interviewen, vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk, vom privaten. Dann rückt noch ein Kamera-Team von der „Aktuellen Stunde“ des WDR an: „Ne, ne“, sagt der Rentner, „ich hab doch schon alles erzählt.“

Es will nicht so recht laufen an der Speakers’ Corner. Gerade zehn Einzelvorträge sind seit der offiziellen Eröffnung am 6. Juni, zu verzeichnen gewesen – inklusive der Präsentation des BdSt. Immerhin hat die Kinderkulturwerkstatt den Ort mal zwei Wochen lang täglich bespielt. 70 000 Euro öffentlicher Mittel sind für diesen öffentlichen Raum geflossen, den das Unperfekthaus nur betreut, nicht betreibt. Ob die Resonanz an der Speakers’ Corner insgesamt ein Erfolg ist? „Es soll ja kein Publikumsmagnet sein“, sagt Markus Urselmann vom Unperfekthaus und verweist auf die mangelnde öffentliche Diskussionskultur in Deutschland.

„Weit weg von den Fußgängerströmen“

„Schade“ findet Bärbel Hildebrand, dass der „Standort so weit weg von den Fußgängerströmen“ liege. Grundsätzlich sei die Speakers’ Corner eine gute Sache. Aber natürlich stelle sich immer eine Frage: „Wie wird das angenommen?“ Verhalten an diesem Vormittag. Ein Blick zurück von der Pforte des Einkaufszentrums: Kaum zu erahnen ist die Existenz des Debattier-Forums. Der Medienrummel löst sich auf. Die Bänke bleiben leer. An der Speakers’ Corner spricht erstmal niemand mehr.