Essen. .
Soll Essen wirklich als erste bedeutende Großstadt in Deutschland die Betreuung aller Langzeitarbeitslosen übernehmen? Der Rat entscheidet in der kommenden Woche. Indes wachsen die Zweifel.
In der nächsten Woche treffen die Fraktionen im Rat eine der „größten sozialpolitischen Entscheidungen“ (SPD-Ratsherr Dirk Heidenblut) der vergangenen Jahrzehnte für die Stadt: Soll Essen wirklich als erste bedeutende Großstadt in Deutschland alle Langzeitarbeitslosen komplett alleine betreuen? Ohne die Routine und Erfahrung der Bundesagentur für Arbeit, die seit 2005 zusammen mit der Stadt in den Jobcentern gemeinsam versucht, den 27 000 Menschen mit mindestens einem Jahr Arbeitslosigkeit eine neue Perspektive zu verschaffen?
Die Vorteile: Essen könnte dann über 60 bis 80 Millionen Euro Bundesmittel zur Eingliederung der Arbeitslosen alleine verfügen; die Verwaltung könnte über 300 zusätzliche Stellen verfügen, was den gewünschten Abbau von 1000 Kräften im Rathaus ein wenig abmildern würde. Aber vor allem: Die Verwaltungsspitze von Oberbürgermeister Reinhard Paß (SPD) und Sozialdezernent Peter Renzel (CDU) verspricht, durch ein auf Essen stärker konzentriertes Konzept mehr Arbeitslose in den Beruf zu bringen als zusammen mit der aus Nürnberg gesteuerten Bundesbehörde Arbeitsagentur. Der Rat muss dem Willen der Rathaus-Spitze allerdings laut Bundesgesetz mit einer Mehrheit von zwei Drittel aller Stimmen durchwinken. Doch die Fraktionen zweifeln.
„Wir sollten uns die Aufgabe als Großstadt selbstbewusst zutrauen.“
Man wolle wissen, was passiert, wenn der Bund die auf die Stadt zukommenden Verwaltungskosten für die Arbeitslosenbetreuung verringert, sagt CDU-Fraktionsgeschäftsführer Heribert Piel. Die Fraktion sehe auch Kostenrisiken bei der Übernahme des Personals mit all ihren Versorgungsansprüchen. Man wolle erfahren, was die Stadt denn genau besser machen könne als die heutigen Jobcenter, die im Bundesvergleich gute Arbeit leisten würden. Trotzdem meint Piel: „Wir sollten uns die Aufgabe als Großstadt selbstbewusst zutrauen.“
Deutlich größere Zweifel trifft man in der SPD-Fraktion an. SPD-Fraktionsvize Rainer Marschan sieht die SPD-Ratsleute nicht ans Votum von OB Paß gebunden, pocht auf die Unabhängigkeit der Fraktion.
Man habe sich von vielen beraten lassen, aber Zweifel seien geblieben. Wie hoch ist wirklich das Kostenrisiko für die Stadt? Erhalten Arbeitslose auch künftig ihr Geld? „Die Stadt muss dann bei der Vermittlung auch wirklich besser sein als die Jobcenter“, meint Marschan. „Und wenn bei den Arbeitslosen künftig etwas schief geht, dann steht der OB voll in der Kritik.“ Man sei in SPD-Fraktion in dieser Frage gespalten, aber am Montag werde man ein Urteil fällen.