Essen.

Über den Plan zur alleinigen Betreuung aller Langzeitarbeitslosen ist ein heftiger Streit entbrannt. Arbeitsagentur-Chefin Katja Wilken-Klein wirft OB Paß vor, Kosten beschönigt zu haben. Die Einsparungen seien unrealistisch.

Für eine schwere Fehlentscheidung zu Lasten von Arbeitslosen, Unternehmen und der Finanzen der Stadt hält die Essener Arbeitsagentur den Beschluss der Rathaus-Spitze um Oberbürgermeister Reinhard Paß (SPD), die Betreuung von 27 000 Langzeitarbeitslosen künftig komplett ohne die Nürnberger Behörde zu organisieren.

Die Stadtführung will Essen ab 2012 zur „Optionskommune“ machen, weil sie glaubt, durch ihre lokale Kompetenz könne sie schwierige Arbeitslose schneller vermitteln - und so Gelder für deren Miete sparen. Allerdings gibt es auch unter den Fachpolitikern im Rat noch Zweifel: Der Ausschuss winkte eine entsprechende Vorlage von Paß nicht durch, hat noch Beratungsbedarf angemeldet.

Arbeitsagentur-Chefin Katja Wilken-Klein wirft Paß und Sozialdezernent Peter Renzel (CDU) nun vor, in ihren Papieren für den Rat die wahren Umstellungskosten zu beschönigen, den finanziellen Aufwand für die Pflicht-Übernahme von über 300 Beschäftigten der Bundesarbeitsagentur klein zu reden und zudem keine inhaltliche Strategie für eine bessere Vermittlung der Arbeitslosen zu beschreiben. „Da ist alles wolkig formuliert und geht bei möglichen Einsparungen für die Stadt von unrealistischen Annahmen aus“, sagt Wilken-Klein.

„Von der Stadt kam nichts“

Nach der bisherigen Erfahrung von 69 Optionskommunen in Deutschland beziffern sich die Umstellungskosten laut einer Fachstudie auf 150 Euro pro Arbeitslosen-Haushalt. Dies wären in Essen, so die Agentur, 6,3 Millionen Euro - und damit doppelt so hoch wie die drei Millionen, mit denen Renzel kalkuliert. Um pünktlich zum 1. Januar 2012 wie gesetzlich geplant zu starten, müsse Essen nach Kauf eines neuen Computersystems über 80 000 Arbeitslosen-Datensätze mit seitenlangen Lebensläufen neu eingeben lassen - in wenigen Monaten. „Dies ist kaum zu schaffen“, meint Wilken-Klein.

Der Vorwurf der Stadt, die Agentur kümmere sich zu wenig um die über 5100 sogenannten „Aufstocker“, also Niedrigverdiener, und man könne hier Einsparungen für die Stadt erreichen, weist die Behörde zurück. „Die Aufstocker erhalten drei Mal mehr Arbeitsangebote als andere“, sagt Wilken-Klein. Sie seien oft jedoch gering qualifiziert oder könnten zeitlich nur Teilzeitjobs annehmen - was zur „Aufstockung“ ihrer Löhne durch die Jobcenter führe.

Die von der Stadt beklagte Gängelung durch Nürnberger Anweisungen hält Wilken-Klein für ein vorgeschobenes Argument. Seit 2005 habe es keine Sitzung des für die Jobcenter zuständigen mehrheitlich mit städtischen Vertretern besetzten Lenkungsrates gegeben, in der die Nürnberger Regeln kritisiert worden sein. „Ich würde mich über Verbesserungsideen freuen - doch von der Stadt kam nichts“, sagt sie nach Durchsicht aller Sitzungsprotokolle.

Die Arbeitsagentur befürchtet zudem, dass die Stadt die 80 Millionen Euro Bundesmittel für Arbeitslose statt zu deren Qualifizierung verstärkt für Ein-Euro-Jobs verwendet, um über ihre städtischen Töchter mehr Gemeinwohlarbeiten von Arbeitslosen verrichten zu lassen. Zudem verschlechtere sich für Betriebe der Service: Künftig hätten sie es mit zwei Behörden statt mit einem Ansprechpartner zu tun.