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Etwa jedes vierte Essener Kind wird in einer Beziehung ohne Trauschein geboren. Bisher konnten Mütter unehelicher Kinder den Vätern das Sorgerecht verweigern. Tausende Männer litten unter der Trennung.
Früher war es verrucht, heute ist es fast schon der Regelfall: Etwa jedes vierte Essener Kind wird in einer Beziehung ohne Trauschein geboren. Bisher konnten Mütter unehelicher Kinder, den Vätern das Sorgerecht verweigern. Diese Praxis hat das Bundesverfassungsgericht jetzt verändert und die Rechte lediger Väter gestärkt. Tausende Väter haben unter der alten Rechtssprechung gelitten. Einer von ihnen ist Rainer F. (Name geändert).
Drei Jahre lebten Rainer F. und seine Freundin ohne Trauschein zusammen, als sie sich entschieden, eine Familie zu gründen: „Wir wollten beide ein Kind“, sagt der Essener. Doch noch vor der Geburt trennte sich das Paar. „Anfangs haben wir uns noch gut verstanden. Aber dann hat sie den Kontakt abgebrochen.“ Warum? „Das frage ich mich bis heute.“
„Meine Tochter ist jetzt sieben Jahre alt und ich habe sie 45 Stunden gesehen“
Das Kind, ein Mädchen, ist jetzt sieben Jahre alt. „Und in all der Zeit habe ich meine Tochter insgesamt 45 Stunden gesehen.“ Die Kommunikation mit seiner Ex-Freundin laufe nur noch übers Jugendamt und Gerichte. „Mittlerweile ist der Aktenstapel mit den Briefwechseln so hoch“, sagt Rainer F. und deutet mit der flachen Hand einen halben Meter über seinen Kopf.
Rainer F. sitzt im Büro des Essener Vereins Eltern für Kinder im Revier (EfKiR, siehe Kasten). Er wirkt traurig, wenn er über seine Tochter spricht. Aber auch trotzig und kämpferisch. „Ich bin der Vater und habe dieses Kind ja nicht einfach so in die Welt gesetzt. Es ist mein Recht, aber auch meine Pflicht, aus ihr eine mündige Erwachsene zu machen.“
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Doch der Kampf ums Sorgerecht gleicht einem Kampf gegen Windmühlen. Als seine Tochter anderthalb Jahre alt war, hat Rainer F. erfolgreich erklagt, dass er als Vater anerkannt wird. Seitdem ist er unterhaltspflichtig. Weil er als Selbstständiger nicht genug verdient, zahlt er in Naturalleistungen: Der Kühlschrank ist immer voll, das Kinderzimmer eingerichtet.
Letztes Treffen vor vier Monaten
Nur bekommt es seine Tochter nicht zu Gesicht. „Zwar wurde mir ein betreuter Umgang zugestanden, aber das letzte Treffen liegt mittlerweile vier Monate zurück.“ Weil die Mutter sich querstelle, sei an eine weitere Annäherung und eine Überführung in den unbetreuten Umgang – also an regelmäßige Treffen ohne das Jugendamt – nicht zu denken. Im Gegenteil: „Wegen der großen zeitlichen Abstände muss ich mein Kind quasi jedes Mal neu kennen lernen.“
Dabei habe er genug Erfahrung als Vater, sagt Rainer F. Seine zweite Tochter – auch sie ein uneheliches Kind – ist 17. Seit der Trennung lebt sie abwechselnd bei Vater und Mutter. Wann sie wo wohnt, entscheidet sie selbst. Dieses so genannte Wechselmodell, auf das sich Rainer F. und seine Ex-Freundin verständigt haben, laufe gut. „Natürlich hat auch Streit gegeben. Aber für uns als Eltern hat immer festgestanden, dass wir alles für das Wohl unserer Tochter tun.“ Und die fühle sich sehr wohl mit ihrem Leben zwischen Vater und Mutter.
Wie es mit seiner jüngeren Tochter weitergeht, weiß der Essener nicht. Sein größter Wunsch? „Ich möchte das Kind nicht aus der gewohnten Umgebung herausreißen, sondern mich ihm schrittweise nähern.“ Bis dahin sei es aber noch ein weiter und steiniger Weg. „Denn auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist nur ein winziger Schritt in die richtige Richtung.“ Bis sich im deutschen Sorgerecht wirklich etwas ändere, „gehen noch viele Kinderseelen den Bach runter.“