Essen. .
Stolz rühmt sich Professor Reiner Körfer, die jährliche Operationszahl im Herzzentrum am Elisabeth-Krankenhaus von 200 auf 1000 gesteigert zu haben. Doch ob die gesetzlich Versicherten unter den Patienten bei den Kassen abgerechnet werden durften, ist eine derzeit offene Frage.
Das Problem des Herzzentrums ist die fehlende Anerkennung für gesetzlich Versicherte durch das Land NRW. 1998 gegründet, hatte es immer wieder Schwierigkeiten gegeben. Denn in privaten Kliniken müssen die Krankenkassen nur die OP von Notfallpatienten bezahlen. Vorausgesetzt, es gibt kurzfristig kein Bett in einer anderen, vom Land auch für Kassenpatienten anerkannten Klinik.
An dieser Rechtslage hat sich auch nichts geändert, seitdem Reiner Körfer, der 68 Jahre alte „Herzpapst“ aus Bad Oeynhausen, am 1. Mai 2009 die ärztliche Leitung an der Privatklinik in Huttrop übernahm. Als er jetzt verkündete, er habe die jährliche OP-Zahl auf 1000 Eingriffe gesteigert, stellte sich die Frage nach der Bezahlung. So ganz klar scheint die Antwort nicht zu sein, denn auf Anfrage der WAZ gab es Widersprüche.
„Wir zahlen nur für absolute Notfälle“
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Thomas Kalhöfer, Sprecher der Contilia-Stiftung, die gleichzeitig Träger des Elisabeth-Krankenhauses und des Herzzentrums ist: „Wir haben einen Versorgungsvertrag mit den Krankenkassen und dürfen die Operationen abrechnen. Die Kassen sagen, es gibt durch Körfer als Leiter eine Neuerung, und wir wollen ihn als einen der Besten.“
Nachfrage bei den Kassen. André Maßmann von der AOK Rheinland/Hamburg: „Wir zahlen nur für absolute Notfälle.“ Den Versorgungsvertrag bestätigt er, aber der sei vom Land noch nicht genehmigt und deshalb nicht gültig.
Schließlich wieder die Contilia-Stiftung. Geschäftsführer Heinz Diste bestätigt jetzt auch, dass nur Notfälle abgerechnet werden und manche Operationen nicht bezahlt werden. Er ist in Sorge, dass durch die öffentliche Diskussion die Anerkennung durch das Land gefährdet ist und spricht von „Störmanövern“.
Ins Deutsche übersetzt heißt Hilarion heiter, fröhlich oder heilbringend. Doch diese Beschreibungen wollen zur Zeit nicht zum Herzzentrum passen, das im Hilarion neben dem Elisabeth-Krankenhaus untergebracht ist. Dabei hatte sich die Geschäftsführung so viel versprochen, als sie „Herzpapst“ Reiner Körfer (68) im vergangenen Jahr als ärztlichen Leiter des Herzzentrums gewann. „Es gibt in Deutschland nur zwei Herzchirurgen, die in seiner Liga spielen“, lobte Geschäftsführer Heinz Diste ihn noch am Donnerstag.
Durch Körfer hat sich das Klima verändert
Aber durch Körfer scheint sich auch das Klima verändert zu haben. Erst der Arbeitsgerichtsprozess mit Mobbing-Vorwürfen gegen ihn. Das Krankenhaus hatte dazu zunächst geschwiegen, er selbst die ihm vorgeworfenen Zitate dagegen bestätigt: Es hätten wohl einige die hohe Schlagzahl nicht verkraftet, mit der er die Zahl der Operationen von 200 auf 1000 erhöht habe.
Das ist die zweite Baustelle, mit der das Herzzentrum jetzt beschäftigt ist. Denn von den Krankenkassen dürfen nur die Operationen bezahlt werden, die als Notfall gelten. Und ob diese Zahl innerhalb eines Jahres so deutlich stieg? „Ja“, sagt Geschäftsführer Diste. Jeder Einzelfall sei vorab mit den Krankenkassen abgesprochen und genehmigt worden. Im Nachhinein seien dann einige Operationen doch nicht bezahlt worden, räumt er ein. Die habe man ruhen lassen, weil man darauf vertraute, dass das NRW-Gesundheitsministerium einen „Versorgungsvertrag“ aller Kassen mit dem Herzzentrum genehmige.
„Das Verfahren läuft“, versichert ein Sprecher des Ministeriums. Eine Prognose dazu gibt es nicht. Wohl aber reagiert das Ministerium auf die von der AOK Rheinland/Hamburg aufgestellte Behauptung, in NRW gebe es zu wenig Betten und OP-Säle in der Herzchirurgie . AOK-Sprecher Andre Maßmann sagt: „Wir schieben Patienten ab in andere Bundesländer.“ Das Ministerium bestätigt das zwar, sieht aber darin kein Problem. Es läge an der Vorliebe der Patienten oder ihrer einweisenden Ärzte und sei keine Einbahnstraße: „So werden auch in NRW Patienten aus anderen Bundesländern behandelt.“
Erste Kassen stellen „Notfall-Eingriffe“ auf den Prüfstand
In Essen sieht das Ministerium auch kein Problem: „Hier ist nicht bekannt, dass das Universitätsklinikum Essen herzchirurgische Patienten aus Kapazitätsgründen zurückweisen muss, insbesondere keine Notfälle.“ Versorgungsverträge, so wie sie die Kassen und das Herzzentrum geschlossen hätten, seien die Ausnahme, fügt es noch hinzu.
Das hört sich nicht an, als brenne das Ministerium darauf, die Genehmigung zu erteilen. Begründet hatten Kassen und Herzzentrum ihre Vereinbarung mit einem neuen und überzeugenden Konzept, das Körfer vorgelegt habe. Heinz Diste: „Die Kassen haben uns gesagt, das finden wir gut. Danach kam es aber zur Eskalation.“ Der Minister sei von bestehenden Einrichtungen wie der Essener Uniklinik bestürmt worden, es abzulehnen. Dann habe es das nächste Störmanöver, den Mobbingprozess, gegeben und Hinweise, dass der Rechtsanwalt der Gegenseite sie erpressen wolle und strafrechtliche Schritte wegen der bisherigen Abrechnungspraxis anregen wolle. Das alles gefährde die Anerkennung durch das Land.
Vor einem Jahr klang das noch mutiger. In der NRZ hieß es, Körfer sei sicher, dass die Anerkennung durch das Land Formsache sei. Denn er kenne den Chef der AOK Rheinland/Hamburg, Wilfried Jacobs, aus der Zeit, als sie beide den Fußballverein Borussia Mönchengladbach führten. Körfer gehört auch zu den „Spezialmedizinern“, die auf der Homepage der AOK stehen.
Aber dieser Optimismus scheint jetzt abhanden gekommen zu sein. Weitere „Störmanöver“ drohen: Schon kursieren OP-Pläne, die belegen sollen, dass die angeblichen „Notfall-Eingriffe“ schon eine Woche zuvor angesetzt wurden. Erste Kassen prüfen. Gerüchte gibt es, dass der Medizinische Dienst der Kassen schon einige dieser „Notfälle“ beanstandet habe. Im Gleichklang ist der Takt des Herzzentrums noch nicht.