Essen. Vor vier Jahren konstituierte sich der Essener Ausschuss für Zuwanderung und Integration. Von Anfang saß ihm Burak Copur vor. Er sagt: "Je multikultureller und je schwuler eine Stadt ist, desto größer ist ihr wirtschaftlicher Erfolg."

Welchen Stellenwert hatte der Integrationsausschuss bei seiner Konstituierung?

Copur: Anfangs hatte ich schon den Eindruck, dass der Ausschuss von vielen nicht ganz ernst genommen worden ist. Das hat sich aber geändert. Das Thema Integration ist jedenfalls durch ihn aufgewertet worden, hat einen besonderen Stellenwert bekommen. Das ist ein Erfolg.

Was haben Sie erreicht?

Copur: Wichtige Themen wie Migrationswirtschaft, Personalentwicklung und interkulturelle Kulturarbeit kamen vorher so gut wie nicht vor in der Politik. Wir haben dafür sensibilisiert, das Thema aus der Sozialarbeiterecke geholt. Integration läuft über Vorbilder. Ein Erfolg ist es, dass jetzt auch andere Parteien Migranten als Kandidaten für den Rat aufstellen.

Was gilt es hinsichtlich der Integration in der Stadt noch zu verbessern?

Copur: Integration wird immer noch sehr halbherzig betrieben, spielt im Rat kaum eine Rolle. Die Stadtspitze hat meine Zweisprachigkeit Türkisch-Deutsch zum Beispiel nie genutzt, um Investoren aus der Türkei nach Essen zu holen. Man muss wirklich sagen: Die Stadt versucht Revierhauptstadt zu werden, aber im Kern ist sie provinziell. Jeder muss einfach verstehen, dass es ohne Migranten keine Metropole Ruhr gibt. Ich sage mal provozierend: Je multikultureller und je schwuler eine Stadt ist, desto größer ist ihr wirtschaftlicher Erfolg. Da muss man nur nach Köln, Hamburg, Berlin, New York sehen. Ich weiß, dass man mit dem Thema Integration nicht die Welt rettet, aber Integration ist ein wichtiger weicher Standortfaktor. Sie muss zur Chefsache werden.

Woran machen Sie die Halbherzigkeit beispielsweise fest?

Copur: Eigentlich finden alle Integration wichtig. Aber wenn es um die konkrete Finanzierung geht, dann sperren sich viele. So konnte die Volkshochschule nicht die Hauptschulabschlusskurse stemmen. Oder: Was haben wir um das Start-Stipendium für Schüler mit Migrationshintergrund gekämpft, was gab es Vorbehalte! Jetzt wird es als Erfolg mit einem Empfang im Rathaus gefeiert.

Wie könnte das Thema Integration noch stärker in den Fokus gerückt werden?

Copur: Es wäre gut, ein Dezernat Wirtschaft, Integration, Kultur zu bilden. Essen sollte sich bemühen, nicht nur Einkaufs- und Medizinstadt zu sein, sondern Stadt der Integration. Es gibt hier viel wie RAA, den Uni-Fachbereich Turkistik, das Zentrum für Türkeistudien, das Kulturwissenschaftliche Institut, Vorzeigeprojekte im Bereich der Sprachförderung. Das Rucksackprojekt ist ein Kassenschlager. Da müssen Netzwerke gebildet werden.

Was kann für gut gebildete Migranten getan werden?

Copur: Das Ausländeramt muss sich wandeln, es muss beispielsweise indische Professoren beraten können, in welcher Schule ihre Kinder mehrsprachig lernen können. Wir müssen Migranten bei der Personalentwicklung berücksichtigen. Sie brauchen kein Mitleid mehr. Viele gehören der Elite an. Es liegt im Interesse aller, sie einzubinden. Holen wir sie nicht ins Boot, bleiben die schlecht Ausgebildeten, nicht Integrierten übrig. Und dann: Prost Mahlzeit.

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