Essen.

Die meisten Anfragen gibt es zwar weiterhin zu Sekten, speziell zu Scientology. In ihrer aktuellen Jahresbilanz stellt Sekten-Info NRW jedoch fest, dass auch die Zahl der Probleme mit Esoterik-anbietern wächst.

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Von DerWesten

Die 65-jährige Essenerin fiel aus allen Wolken, als ihre Töchter sie zur Rede stellten. Zwei ihrer Geschwister seien gar nicht ihre richtigen Geschwister, sondern aus einer Vergewaltigung der Mutter durch den Großvater hervorgegangen. Eine Ärztin habe das bei einer Familienaufstellung enthüllt. Alle Beteuerungen der Mutter, da sei nichts dran, nutzten nichts. Die Töchter glaubten der „Fachfrau“. Die Familie drohte zu zerbrechen.

In ihrer Verzweiflung wandte sich die Mutter an die Sekten-Info NRW mit Sitz in Essen. Die „Fachfrau“ war der Beratungsstelle bereits bekannt. Als Ärztin hatte sie in Essen schon länger nicht praktiziert und Klagen über ihre Methoden hatte es auch schon mehrfach gegeben. Die Sekten-Info sprach mit den Töchtern; doch eine blieb bei ihren Zweifeln. Ein Vaterschaftstest schließlich entlarvte die „Enthüllung“ als falsch. Alle vier Kinder hatten den gleichen Vater, den Ehemann der Mutter. Die Sekten-Info-Beratungsstelle erstattete daraufhin Strafanzeige gegen die Pseudo-Therapeutin wegen fahrlässiger Körperverletzung. Sie wurde zu 3000 Euro Strafe verurteilt.

„Schlechte Erfahrungen mit Esoterik nehmen zu“

Nicht immer konnte die Sekten-Info im vergangenen Jahr Gurus, Wunderheiler, Sektierer und Wahrsager so eindeutig zur Rechenschaft ziehen. Den 366 Ratsuchenden, die eine intensive Betreuung brauchten, wurden jedoch zumindest Wege aus der Sackgasse der Patentrezepte gewiesen.

„Zwar kommen die meisten Anfragen bei uns weiterhin zu Sekten, darunter vor allem zu Scientologen. Aber schlechte Erfahrungen mit Esoterik nehmen zu,“ erklärt Sabine Riede, Leiterin der Sekten-Info. Wachsende Unsicherheit und Zukunftsängste schürten die Sehnsucht nach einfachen, schnellen Lösungen, einem Blick in die sonst so ungewisse Zukunft. Unzufriedenheit mit der Schulmedizin treibe Manchen zu alternativen Heilern. Die aber seien oft alles andere als ungefährlich, warnt Sabine Riede: „Uns sind sieben Todesfälle bekannt, bei denen schulmedizinisch sicher Heilbare gestorben sind, weil sie auf Anraten von Esoterikern die Behandlung durch Ärzte verweigert haben.“

Scientology weiter aktiv

Generell sei Vorsicht angeraten bei allen Anbietern, die schnelle, einfache Lösungen und zwar als einzig denkbare Option anpriesen, warnt Riede. Gegen Familienaufstellung als Teil einer professionellen Therapie und verstanden als subjektive Erfahrung sei aber nichts einzuwenden.

Abgesehen von unregelmäßigen Infoständen am Bahnhof und am Kopstadtplatz seien in Essen Scientologen derzeit kaum öffentlich wahrnehmbar, erklärt Beratungsstellenleiterin Riede. Weiterhin aktiv sei aber wohl die nach Scientology-Prinzipien arbeitende Nachhilfe-Anbieterin in Heidhausen.

In einem Fall konnte Sekten-Info einem Sekten-Aussteiger helfen, horrende Seminargebühren zurückerstattet zu bekommen. In einem anderen Fall wurde einem Makler, der Auszubildende in Scientology-Manier schikanierte, gemeinsam mit der Industrie- und Handelskammer die Ausbildungslizenz entzogen.