Essen. .
Weil die Beiträge für die Berufshaftpflicht sprunghaft gestiegen sind, hören immer mehr freiberufliche Geburtshelferinnen auf. Zehn Prozent sollen es in Essen sein. Auch Kliniken und Ärzte betrifft das Problem.
Auch interessant
Der schönste Augenblick ist für Elli Conrads immer der, wenn die jungen Familie mit ihrem neugeborenen Kind das Geburtshaus verlässt. Seit 14 Jahren arbeitet die 46-Jährige nun als Hebamme „und ich habe meine Berufswahl nie bereut.“ Elli Conrads sieht ihren Beruf auch als Berufung. Und nur diesem Idealismus ist es zu verdanken, dass sie auch weiterhin als freie Hebamme tätig ist. Denn seit die Beiträge für die Berufshaftpflichtversicherung Anfang Juli von 2370 Euro im Jahr auf jetzt 3689 Euro angestiegen sind, „muss ich auf viel Geld verzichten.“
Dabei hat Elli Conrads noch Glück. Im Geburtshaus in Dellwig arbeitet sie gemeinsam mit drei weiteren Hebammen: Zu viert können sie sich die Bereitschaftsdienste für die Hochschwangeren aufteilen. Und deswegen mehr Frauen – 150 sind es pro Jahr, 50 von ihnen bringen ihr Kind im Geburtshaus zur Welt – betreuen als ihre freiberuflichen Kolleginnen, die nicht im Verbund arbeiten.
Viele haben aufgehört, „weil sie sich ihren job nicht mehr leisten können“
„Als Einzelkämpferin muss man jetzt mehr als drei Geburten im Monat betreuen, nur um die Versicherungssumme reinzuholen. Das ist allein wegen der Bereitschaftsdienste, die das Privatleben erheblich einschränken, kaum noch zu schaffen“, rechnet Conrads Kollegin Katja Stöhr vor. Sie selbst kennt viele freiberufliche Hebammen, die sich aus ihrem Kerngeschäft, der Geburtshilfe, zurückgezogen haben, und nur noch Vor- und Nachsorge betreiben. Andere haben gleich ganz aufgehört, „weil sie sich ihren Job schlicht nicht mehr leisten können.“
Wie hoch die Zahlen genau sind, kann auch Angelika Josten, die Vorsitzende des Hebammen-Landesverbandes NRW noch nicht beziffern: „Zehn Prozent aller Essener Hebammen sind es aber sicherlich.“
Das Dellwiger Geburtshaus steht trotz dieser besorgniserregenden Entwicklung noch recht gut dar. „Wir sind glücklicherweise nicht in unserer Existenz bedroht, spüren die Mehrbelastung aber deutlich“, sagt Geschäftsführerin Andrea Allen. Wie es gehen kann, zeigt der Blick nach Witten: Dort hat das örtliche Geburtshaus am 1. Juli geschlossen.
Furcht um Wahlfreiheit des Geburtsortes
Den Rückzug der freien Hebammen sehen auch viele Familien mit Sorge. Sie fürchten um die Wahlfreiheit des Geburtsortes. Wie Yvonne und Axel Zünsdorf: „Die Atmosphäre hier ist eine ganz andere als in der Klinik. Hier kann man ein persönliches Verhältnis zu den Herbammen aufbauen“, schildert Yvonne Zündorf die Gründe, warum sie sich vor 20 Monaten entschieden hat, ihren Sohn Paul Emilian im Geburtshaus zu entbinden. In vier Wochen will sie hier auch ihre Tochter zur Welt bringen.
Mit 1800 Geburten im Jahr ist die Geburtshilfe am St. Elisabeth-Krankenhaus die größte Entbindungsstation der Region. 17 angestellte und sechs freie Beleghebammen arbeiten hier. Auch Chefarzt Prof. Stefan Niesert verfolgt die Gebührenentwicklung deswegen mit großer Sorge. Niesert warnt jedoch davor, die Diskussion nur auf die Hebammen zu verengen. Denn: „Der gesamte Bereich der Geburtshilfe ist betroffen, also auch wir Ärzte und Kliniken. Wir müssen möglichst schnell eine Lösung finden.“