Essen. .
Bis zu 135 Euro mehr im Jahr müssen wohl allein die gesetzlich Versicherten ab 2011 für ihre Krankenkasse bezahlen, doch zugleich klaffen Ansprüche von Patienten und die tatsächlich erhaltenen Leistungen von Ärzten, Kliniken, Therapeuten und Apothekern immer weiter auseinander.
„Mein Budget ist alle“
Das erleben täglich die Berater der Krankenkassen. In Essen ist zwar gerade die Beschwerdewelle über die Ausgabe billiger Nachahmer-Arzneien statt des bewährten Marken-Medikaments abgeebbt, doch zunehmend regen sich nun Patienten darüber auf, dass mehr und mehr Ärzte zum Ende des Quartals bisher übliche Pillen und Salben nicht mehr auf Kassenkosten verschreiben. Vielmehr händigen sie nach Darstellung der Kassen hartnäckigen Patienten ein „grünes Rezept“, also ein Privatrezept, aus; die Kosten für die Arznei muss der Kranke trotz teurer Versicherung dann ganz allein tragen.
„Wie uns unsere Versicherten erzählen, begründen das einige Ärzte sogar damit, dass ihr Budget erschöpft sei. Das geht nicht. Medizinisch notwendige Arzneien müssen verschrieben werden. Wir wollen darüber mit der Kassenärztlichen Vereinigung reden“, sagt Miriam Thamm, die neue Leiterin der DAK Essen mit 24 000 Versicherten.
Tatsächlich stehen die Ärzte unter Druck: Jeder Praxis ist rechnerisch ein Etat für Arzneien zugeteilt; wer mehr verschreibt, muss dies ausführlich begründen oder wird sonst mit Strafzahlungen traktiert.
Aber auch die Krankenkassen selbst müssen bei bestem Willen Ausgabewünsche ihrer Versicherten ablehnen - weil die Gesundheitsgesetze immer strenger wurden.
„Seit der Wirtschaftskrise häufen sich bei uns Anfragen von Patienten, die Taxi-Fahrten zum Arzt oder zur Klinik bezahlt haben wollen“, erzählt Thamm. Doch selbst bei Härtefällen ist es den Kassen verboten zu zahlen, es sei denn, die Ausnahme ist gesetzlich fixiert: Etwa Fahrten von Dialyse-Kranken oder von einigen Schwerbehinderten . Da bleibt den Kassenangestellten nur der praktische Rat an Hilfesuchende übrig, es einmal mit Gesprächen beim Taxiunternehmer zu versuchen - und Rabatt für regelmäßige Fahrten herauszuschlagen.
Zwar steigt der Bedarf der Patienten nach Beobachtung von Medizinern und Versicherungen an ausführlicher Beratung, doch weder Krankenkassen noch Ärzte können dies aus Zeitgründen so ausführlich leisten wie notwendig.
Wichtige Selbsthilfe
„Selbsthilfeorganisationen sind da enorm wichtig. Die Kranken können sich unter Gleichgesinnten austauschen, erhalten von Experten Tipps“, lobt Thamm das Engagement der meist ehrenamtlich tätigen Selbsthilfevereine. Seit der Gesundheitsreform von 2007 müssen die Kassen diese finanziell unterstützen – auf Antrag.
Die neue DAK-Leiterin will dabei Konzepte und Umsetzungen genau kontrollieren, die Spreu vom Weizen trennen. Denn auch unter den Selbsthilfevereinen gebe es dubiose Clubs. Einige sollen sogar zur Arznei-Verkaufsförderung von Pharmafirmen missbraucht worden sein.