44-Jährige soll ihren Ehemann mit Thallium vergiftet haben. Sie spricht von einem Denkzettel. Doch die Anklage sieht ein finanzielles Motiv und erinnert an ihr Verhältnis zum 78-jährigen Onkel

Unter dem Verdacht des versuchten Mordes wird Andrea G., neben ihr Verteidiger Wolfgang Küpper-Fahrenberg, in den Saal geführt. Fotos: WAZ, Arnold Rennemeyer
Unter dem Verdacht des versuchten Mordes wird Andrea G., neben ihr Verteidiger Wolfgang Küpper-Fahrenberg, in den Saal geführt. Fotos: WAZ, Arnold Rennemeyer © WAZ

Sieht so eine kalt berechnende Giftmischerin aus? Oder doch eine arme Frau, die dem Martyrium Ehe nur mit einem Giftanschlag zu entkommen meinte? Welche dieser Typisierungen auf die 44 Jahre alte Andrea G. aus Frohnhausen zutrifft, wird das Schwurgericht nach mindestens vier Prozesstagen zu entscheiden haben.

Zum Prozessauftakt gesteht sie, ihrem 50 Jahre alten Ehemann Holger G. am 27. Oktober 2007 ein Gramm Thallium ins Bier geschüttet zu haben. Doch nicht etwa, um das Verhältnis mit ihrem 78-jährigen Onkel ausleben zu können und Gelder im fünfstelligen Bereich aus Lebensversicherungen ihres Mannes zu kassieren, wie Staatsanwältin Birgit Jürgens in ihrer Anklage behauptet. Nein, einen Denkzettel wollte sie ihrem Mann verpassen, der sie in der Ehe immer geschlagen und gedemütigt habe: "Er sollte auch mal spüren, wie es ist, wenn einem der Magen weh tut. Und dann wollte ich ihn pflegen, damit er wieder zu mir zurückkehrt. Aber töten wollte ich ihn nicht." Schnell spricht die zierliche Frau, und man muss bei der sächselnden Stimme genau hinhören. Anfang 1990 kam sie aus Thüringen nach Essen, heiratete Holger G. 1991.

Zuletzt hatte sie in der Taubenklinik gearbeitet, wo sie auch an das Rattengift Thallium kam. Mit Verzögerung wirkte sich der Stoff im Körper ihres Mannes aus. Erst nach vier Wochen erkannten die Ärzte die Ursache der Lähmung. Nie gab sie den anfangs noch rettenden Hinweis, was der Grund für sein Leiden ist. Heute liegt er in der Klinik, ohne auf Umwelteinflüsse zu reagieren. "Ich hatte nicht mehr ans Gift gedacht", sagt sie. Dabei hatte sie den Verdacht auf anderes gelenkt. Ihren Mann beschreibt sie vor Gericht in düstersten Farben. Selbst dass sie Anfang der 90er Jahre bei ihrer Arbeit in einem Privathaushalt Schmuck für 20 000 Euro stahl und dafür verurteilt wurde, hängt sie jetzt ihm an: "Das hatte ich für ihn auf mich genommen." An eine Trennung habe sie nie gedacht: "Wenn er nüchtern war, hat er mich eingelullt, war nett." Früher sagte sie, aus finanziellen Gründen und weil sie nicht allein sein wollte, habe sie sich nicht getrennt.