Essen. Armut fängt bei den Kleinsten an. Zurzeit bekommen das vor allem die zahlreichen Schwangerschaftsberatungsstellen in Essen zu spüren. Nach einer Erhebung der Caritas ist die Zahl der Beratungen im Ruhrbistum um rund 500 auf 7.921 Fälle im Jahr 2008 gestiegen.

Zahl der Mütter mit finanziellen Sorgen steigt

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    „Bei uns sind die Zahlen zwar nicht drastisch gestiegen. Wir merken aber, dass uns immer häufiger Schwangere mit finanziellen Problemen aufsuchen“, sagt Bettina Opdenhövel, Mitarbeiterin der Schwangerschaftsberatung des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF). Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit, Hartz IV: Die Frauen, die sich auf den Weg zu Susanne Opdenhövel und ihrer Kollegin Esther Noll in die Damannstraße machen, wissen oft keinen Ausweg mehr. 59 Prozent der Frauen, die 2008 zu der Beratungsstelle in Essen-Mitte kamen, sind auf Hartz IV angewiesen. Seit Beginn der Wirtschaftskrise hat sich die ohnehin angespannte Situation zusätzlich verschärft.

    Kampf durch den deutschen Behörden-Dschungel

    Beratungsangebote in Essen

    Der Sozialdienst katholischer Frauen und die Caritas bieten in Kooperation zahlreiche Angebote für Schwangere, Mütter und Familien an. Ein Überblick:

    • Schwangerenberatungsstelle: SkF Essen Mitte e.V., Dammannstraße 137, Tel.: 0201 / 275 081 28; E-Mail: beratung@skf-essen.de
    • Frauenfrühstück: Für alle Mütter und Schwangere, die sich austauschen möchten. Jeden Montag von 10 bis 12 Uhr im Familienzentrum, Dammannstraße 32 bis 38.
    • Teen und Baby: Das Wohnprojekt richtet sich an schwangere Mädchen und junge Mütter, die Unterstützung außerhalb ihrer Familie benötigen. Kontakt: Dünkelbergstraße 8, Tel.: 0201 / 7 27508 550; E-Mail: teenbaby@skf-essen.de
    • Second-Hand-Shop "Hosenmatz": Geöffnet montags bis freitags von 10 bis 12.30 Uhr sowie montags, mittwochs und freitags von 14 bis 16.30 Uhr. Kontakt: Rottstraße 39, Tel.: 0201 / 810 90 981.
    • Essener "Babyfenster": im Haus Nazareth, Beethovenstraße 15, Notruftelefon rund um die Uhr, Tel.: 0800 / 010 22 10.
    • Adoptions- und Kinderpflegedienst: SkF Essen Mitte e.V., Beethovenstraße 15, Tel.: 0201 / 275 08380; E-Mail: pflegekinder@skf-essen.de

    Dabei sind die beiden Sozialpädagoginnen längst mehr als bloße Seelentrösterinnen. Gemeinsam mit den hilfesuchenden Frauen und Familien kämpfen sie sich regelmäßig durch den Bürokratiedschungel Deutschland. „Was mich oft hilf- und sprachlos macht, ist, dass manche staatliche Leistungen zu spät gezahlt oder gar verschleppt werden“, sagt Esther Noll. Ein weiteres Problem sei die Mauer, die sich sowohl in den Köpfen der Frauen als auch zahlreicher Arbeitgeber beim Thema Schwangerschaft aufbaue. „Wir haben hier schon zahlreiche Fälle erlebt, in denen Schwangeren unter fadenscheinigen Gründen gekündigt wurde. Andere sind regelrecht aus ihrem Job gemobbt worden“, weiß Esther Noll und ergänzt: „Kein Wunder, dass in Deutschland immer weniger Kinder geboren werden.“

    Kein Job, kein Geld, keine Perspektive: Nicht selten kommt es dann vor, dass die beiden Kolleginnen die Frauen mit ihren Kindern zur Essener Tafel schicken. „Wir arbeiten mit zahlreichen Stellen zusammen, um möglichst hürdenlos schnelle Lösungen zu finden“, erklärt Bettina Opdenhövel die Philosophie. Eine Einrichtung, die Familien mit knapper Kasse entlasten soll, ist der vom SkF ins Leben gerufene „Hosenmatz“. In dem kleinen Ladenlokal in der Rottstraße am Ende der Fußgängerzone finden sich gut erhaltene Umstands- und Kinderkleidung sowie Babyzubehör aus zweiter Hand. Die Ladenregale sind ausschließlich mit Spenden gefüllt, der „Hosenmatz“ trägt sich also selbst. Die Gewinne werden in Gutscheine für Lebensmittel- und Drogeriemärkte umgewandelt, die der SkF an bedürftige Frauen abgibt.

    Spenden für den "Hosenmatz" gesucht

    Seit mehr als 30 Jahren ist Margret Pöhler ehrenamtlich für den SkF tätig. Sie begleitete die Geburtsstunde des „Hosenmatz“ 2006 und ist seitdem die gute Seele des Second-Hand-Geschäfts. „Wir suchen dringend noch gut erhaltene Kinder- und Babysachen. Vor allem Spielsachen sind in der Vorweihnachtszeit sehr gefragt“, bittet die 52-Jährige um Spenden.

    Um die Hilfe weiter zu erleichtern, ist für das kommende Jahr ein mobiler „Hosenmatz“ geplant, der durch die Essener Stadtteile rollt. „Wir möchten es den Frauen und Familien so weit erleichtern wie möglich“, begründet Bettina Opdenhövel. Denn egal, wie ausweglos die Situation erscheine – dank zahlreicher Hilfsangebote und Fördermöglichkeiten könne für jede Frau eine Lösung gefunden werden, sagt Opdenhövel.

    "Beratungsangebot ist besser und größer geworden"

    Diejenigen, die keinen Ausweg mehr sehen, landen bei Susanne Thelen. Die Mitarbeiterin im Adoptions- und Pflegedienst ist gemeinsam mit den Schwestern des Elisabeth-Ordens für das Essener „Babyfenster“ zuständig. Die Einrichtung wurde 2002 ins Leben gerufen. In der Beethovenstraße 15 haben Mütter die Möglichkeit, ihr Kind anonym abzugeben. Zudem ist an sieben Tagen die Woche rund um die Uhr eine Notrufnummer geschaltet, über die werdende Mütter anonym beraten werden.

    Elf Säuglinge wurden bislang ins Babyfenster gelegt. Nur ein Kind wurde seitdem ausgesetzt – David, der Ende August im Freisenbruch gefunden wurde. Deswegen verteidigt Thelen das Konzept „Babyfenster“ auch vehement: „Das Beratungsangebot für Mütter in Essen ist besser und größer geworden. Selbst in der größten Not muss keine Frau mehr ihr Kind aussetzen. Dennoch ist das Babyfenster als Anlaufstelle wichtig. Auch ein Kind, dessen Mutter es nicht will, hat schließlich ein Recht zu leben.“