Essen. Zwei junge Männer überfallen einen Discounter in Essen. Einer der mutmaßlichen Täter beruft sich vor Gericht auf ein Liebes-Alibi.

Mit dieser Aldi-Kassiererin sollte man sich besser nicht anlegen: Als die 54-Jährige im vergangenen Dezember kurz vor Ladenschluss überfallen wurde, packte sie den Täter kurzerhand am Kragen. Selbst als ihr mit einer Gaspistole direkt ins Gesicht geschossen wurde, gab sie nicht sofort klein bei.

Seit Montag (10. Juni) steht der mutmaßliche Täter in Essen vor Gericht. Ein Jüngelchen, wie es scheint, als er von den Wachtmeistern in Saal 290 des Essener Landgerichts geführt wird. Doch der Eindruck kann täuschen. Es gibt bereits mehrere Vorstrafen – auch wegen Raubes.

Hauptangeklagter schweigt zu Vorwürfen

Der 22-Jährige war direkt nach dem Überfall auf den Aldi-Markt im Essener Stadtteil Dellwig festgenommen worden. „Die Beweislast ist nach Aktenlage recht gut“, sagte Richter Martin Hahnemann zum Prozessauftakt. Eine Verurteilung sei – Stand jetzt – zumindest wahrscheinlich.

Doch auch diese Worte konnten den jungen Essener nicht aus der Ruhe bringen. Kein Wort zu den Vorwürfen, kein Wort über seinen bisherigen Lebenslauf: Der 22-Jährige beruft sich vor der 6. Strafkammer auf sein Schweigerecht.

Kassiererin angeraunzt: Hauptangeklagter schweigt

Es war der 7. Dezember 2024, als er kurz vor 21 Uhr in der Aldi-Filiale aufgetaucht sein soll. Mit dabei ein Freund, der nun ebenfalls auf der Anklagebank sitzt.

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der 22-Jährige die Kassiererin abgefangen hat, als sie gerade wieder ihren Platz einnehmen wollte. „Mach‘ die Kasse auf“, soll er die deutlich größere und wohl auch viel kräftigere Frau angeraunzt haben. Doch die packte ihn sofort am Schlafittchen.

„Das war im Affekt“, sagte sie den Richtern am Essener Landgericht. Als sie den Täter schließlich losließ, weil ihr die Augen nach dem Schuss aus nächster Nähe doch zu sehr brannten, sagte sie noch diese Worte: „Mir ist das jetzt zu blöd. Macht doch was ihr wollt.“

Als sie später zurückkehrte, war die Kassenlade aufgehebelt. Es fehlten 930 Euro. Die beiden Räuber waren verschwunden.

Angeklagter benennt neue Freundin als Alibi

Bei der Polizei will die 54-Jährige den Mann mit der Waffe später auf Fotos wiedererkannt haben. Und auch im Gericht war sie sich sicher, dass der richtige Mann auf der Anklagebank sitzt: „Den erkenne ich an seinem spitzen Gesicht.“

Bei dieser Aussage brach der 22-Jährige sogar kurz sein Schweigen. „Kann gar nicht sein“, giftete er die Kassiererin an. Und auch sein mitangeklagter Kumpel wusch seine Hände zum Prozessauftakt in Unschuld. Er will sich damals auf einem Date befunden haben – mit seiner neuen Freundin. „Er war nicht am Tatort“, sagte sein Verteidiger Patrick Flöther. „Er war den ganzen Abend mit seiner Freundin zusammen.“

Ob das Liebes-Alibi einer Überprüfung standhält, bleibt abzuwarten. Die Richter haben für den Prozess zunächst noch zwei Verhandlungstage vorgesehen. Urteil voraussichtlich Anfang Juli.