Essen. Nach zwei Raubzügen auf Lidl-Filialen drohen fünf jungen Männern aus Essen empfindliche Haftstrafen. Ein Opfer weinte vor dem Landgericht.

Fünf junge Männer sollen im Februar zwei Lidl-Märkte in Essen und Haltern überfallen haben – dabei sollen sie Pistolen und eine Axt dabeigehabt haben. Jetzt droht den Essenern Gefängnis: Im Prozess am Landgericht hat die Staatsanwältin am Dienstag (5. 9.) Strafen zwischen viereinhalb und sechs Jahren Haft gefordert. Bei dem Raubzug im Essener Stadtteil Kray war sogar ein Warnschuss abgegeben worden. Die Folgen sind dramatisch.

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Eine der Verkäuferinnen brach im Prozess immer wieder in Tränen aus. Um ihr vor der Zeugenaussage die Angst zu nehmen, hatten ihr die Richter der 7. Strafkammer vorher in aller Ruhe erst einmal den Sitzungssaal gezeigt. Die Angestellte kann bis heute keine Spätschicht mehr machen. Das hat offenbar auch die 21 bis 24 Jahre alten Angeklagten beeindruckt. „Ich denke immer: Was habe ich da nur getan“, sagte einer von ihnen während des Prozesses. „Ich kann es nicht fassen.“

Vater von drei angeklagten Brüdern zahlte Schmerzensgeld

Drei der fünf Angeklagten sind Brüder. Ihr Vater hat inzwischen fast 25.000 Euro locker gemacht – für Schmerzensgeld und Schadenersatz. Dafür will er sogar Familienschmuck verkauft haben. Jeweils 3000 Euro sind den insgesamt sechs überfallenen Lidl-Mitarbeitern in bar angeboten worden. Die meisten haben das Schmerzensgeld auch angenommen.

Rückblick: Es war der 6. Februar 2023, als die Angeklagten nach Feierabend an dem Discounter an der Rotthauser Straße in Kray aufgetaucht sein sollen. Sie warteten, bis die letzten Mitarbeiter das Geschäft verlassen hatten, stürmten dann mit einer Axt und einer Pistole auf sie zu. Dabei trugen sie Sturmhauben.

„Schieß! Schieß!“, soll einer von ihnen gerufen haben – und tatsächlich fiel ein Warnschuss. Beute wurde trotzdem nicht gemacht. Die Mitarbeiter hatten die Angeklagten mit einem Hinweis auf das Alarmsystem offenbar von ihrem Plan abbringen können. „Zu gefährlich“, muss einer der Täter schließlich gedacht haben. Er war offenbar ein Insider, hatte bei Lidl gerade seine Ausbildung gemacht.

Die Polizei fahndete nach dem Krayer Überfall nach fünf Männern. In einer Mitteilung der Behörde hieß es damals: Als die Bande merkte, dass sie keine Chance hatten, in das Geschäft zu gelangen, stiegen vier Männer unter Drohungen in einen Audi Q5 mit Bottroper Kennzeichen, in dem ein Komplize wartend hinterm Steuer saß.

Angeklagten wollen sich Geld von Kredithai geliehen haben

Fünf Tage später folgte dann der zweite Raubversuch. Diesmal in Haltern. Dort wurden die Mitarbeiter nicht nur bedroht, sondern anschließend auch mit Kabelbindern gefesselt und in die Personaltoilette gedrängt. Dabei sollen dann auch noch diese Worte gefallen sein: „Keine Polizei. Wir kennen Eure Namen. Wir wissen, wo ihr wohnt.“ Die Beute: mehr als 6000 Euro.

Im Prozess hatten die Angeklagten von einer massiven Bedrohungssituation gesprochen. Die drei Brüder wollen sich Geld bei einem Kredithai geliehen haben, konnten die angeblich geforderten 15.000 Euro aber nicht zurückzahlen.

In diesem Punkt ist die Staatsanwältin allerdings skeptisch. „Die Angeklagten haben sich nicht zusammengetan, um einen Kredithai auszulösen, sondern um sich ein Zusatzeinkommen zu verschaffen“, sagte sie in ihrem Plädoyer. Schließlich habe einer der Angeklagten freimütig zugegeben, dass er Geld für seine Verlobung gebraucht habe.

Das Urteil wird voraussichtlich Mitte September gesprochen.

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