Essen. Zwei Mini-Häuser für Obdachlose stehen in Altenessen. In einem solchen „Little Home“ kam René unter. Heute hat er wieder eine Wohnung.

René ist umgezogen. Von Altenessen nach Katernberg. Die Fahrerei nervt ihn ein wenig, schließlich ist er aufs Fahrrad angewiesen, doch mit der neuen Wohnung ist er „wunderbar zufrieden“. Seine Wohnfläche hat er mal eben so vervierzehnfacht. Denn bevor René seine 46 Quadratmeter bezogen hat, musste er mit 3,2 Quadratmetern auskommen. Wobei auch das, wie er sagt, vollkommen ausreiche. „So lange man es ordentlich hält.“

René hat in einem sogenannten „Little Home“ gewohnt, ziemlich genau ein Jahr lang. Vier Wände aus Holz, ein Dach darauf, keine Heizung, kein fließendes Wasser – und doch eine Verbesserung für ihn, der vorher auf der Straße lebte.

Zwei Little Homes sollen Obdachlosen in Essen einen sicheren Schlafplatz bieten

Die Little Homes in Altenessen sind als Übergangsunterkunft für Obdachlose gedacht. Sie sollen ihnen einen trockenen, sicheren Schlafplatz bieten, einen Ort, an dem sie ihre Habseligkeiten verstauen können, eine Tür, die sie hinter sich zumachen und abschließen können. So sie das denn wollen. Manche von Renés Bekannten hätten nicht gewollt, sagt er. Denn wer in ein Little Home einzieht, muss Regeln einhalten: kein Alkohol, keine Drogen. Beim ersten Verstoß gibt es die Gelbe Karte, beim zweiten die Rote – und die bedeutet: Auszug.

Wer sich aber an die Regeln halte, dürfe so lange wie nötig in dem Häuschen wohnen, sagen die Verantwortlichen: Ingo Mattauch, Pfarrer der katholischen Kirchengemeinde Heilige Cosmas & Damian, Ellen Kiener, Pfarrerin der evangelischen Kirchengemeinde Altenessen-Karnap, und Ulrich Hütte, Initiator des ökumenischen Gabenzauns in Altenessen.

„Es geht uns nicht darum, Almosen zu vergeben, die an der Situation der Menschen nichts ändern. Wir wollen die Lebensverhältnisse der Menschen verbessern“, sagt Pfarrer Ingo Mattauch. Deshalb unterstütze man nicht nur mit dem Dach über‘m Kopf, sondern auch im Hinblick auf Therapieangebote oder Behördentermine. „Wir versuchen, entweder selbst zu helfen, oder Stellen zu vermitteln, die helfen können“, sagt Ulrich Hütte.

Zwei neue Bewohner in Mini-Häusern in Altenessen

So sehen sie aus: die Little Homes, in denen wohnungslose Menschen unterkommen können.
So sehen sie aus: die Little Homes, in denen wohnungslose Menschen unterkommen können. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Das Ganze sei ein „großes Netzwerk-Projekt“, so Ingo Mattauch: von evangelischer und katholischer Gemeinde, vielen Ehrenamtlichen, und dem Verein Little Homes, der das Konzept auf den Weg brachte. Auch Contilia unterstütze, indem die sanitären Anlagen auf dem Gelände des Gesundheitsparks genutzt werden dürften. Bis vor Kurzem behielt sich der Verein vor, die Bewohner der Häuser auszuwählen. Ulrich Hütte aber hat nun erreicht, dass die Projektverantwortlichen vor Ort diese Entscheidung treffen dürfen.

Häuser werden weiterentwickelt

Die Idee, wohnungslose Menschen in simplen Mini-Häusern einzuquartieren, stammt vom Verein Little Homes mit Sitz in Köln. Auch die Hochschule Bochum arbeite aktuell an der Konstruktion eines Hausmodells, das über Solarzellen auch Licht und Heizung bieten soll, so Ulrich Hütte. „Das soll sowohl hier für Obdachlose, aber auch in Krisengebieten nutzbar sein.“

Die Little Homes werden in der Regel über Spenden finanziert: Die alte Hausversion, die auch in Altenessen steht, kostet etwa 4500 Euro. Die neue Version, die etwas größer und komfortabler ausgestattet sein wird, soll 12.000 Euro kosten.

Nachdem die Altenessener Häuser eine Weile leer gestanden haben, weil Renés Nachbar Benedikt ebenfalls anderswo unterkommen konnte, gibt es nun neue Bewohner. Die sind gerade noch dabei, sich in ihrem neuen Heim einzurichten, so gut das eben auf 3,2 Quadratmetern geht. Doch René sieht da wenig Probleme: „Auf der Straße muss man auch viel darüber nachdenken, wie man was packt und verstaut.“ Im Mini-Haus gelinge das genauso. Ulrich Hütte kann das nur bestätigen: Als er René beim Umzug in die „richtige“ Wohnung half, habe er darüber gestaunt, was sie alles mitnehmen mussten: „Dass man soviel auf knapp vier Quadratmetern lagern kann ...“

Viel Platz gibt es nicht, doch die Bewohner können sich ihre Little Homes so einrichten, wie es für sie am besten passt.
Viel Platz gibt es nicht, doch die Bewohner können sich ihre Little Homes so einrichten, wie es für sie am besten passt. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

René aber ist in dieser Hinsicht vielleicht auch noch ein wenig gewitzter als andere. Sich selbst beschreibt er als Bastler und Tüftler. „Ich liebe Werkzeug!“ Schon als Kind habe er seine Mutter zur Weißglut getrieben, weil er jedes Radio auseinanderbaute. In seinem Little Home habe er erst einmal das Bett höher gebaut, um sich Stauraum zu schaffen. Hätte er gedurft, hätte er auch eine Solaranlage installiert, „aber das war wegen Brandschutz nicht erlaubt“. Auch seine neue Wohnung richtet er sich nun nach und nach her.

Mit dem Fahrrad zur ehrenamtlichen Arbeit am Essener Gabenzaun

„Wir wollen die Fähigkeiten, die in jedem Einzelnen stecken, so unterstützen, dass sie sich wieder entfalten können“, so Mattauch. Dafür müssten die Menschen auch sozial eingebunden sein. Deshalb die Unterstützung, die Begleitung, der enge Kontakt. Die Little Homes reihen sich ein in eine lange Liste von sozialen Projekten, die nach dem Willen der Verantwortlichen immer länger werden soll. Neben dem Gabenzaun, dem Begegnungscafé und der Kleiderkammer, die sich alle längst etabliert haben, wünscht sich Hütte zum Beispiel einen mobilen Friseur, der ab und an mal ehrenamtlich zum Haareschneiden vorbeikommt.

René hat nach seinem Einzug in sein Little Home angefangen, ehrenamtlich am Gabenzaun mitzuarbeiten, und tut das bis heute. Auch wenn er nun eine weitere Anreise hat, mit dem Fahrrad von Katernberg bis nach Altenessen. „Das richte ich schon ein“, sagt er.

Es geht uns nicht darum, Almosen zu vergeben, die an der Situation der Menschen nichts ändern. Wir wollen die Lebensverhältnisse der Menschen verbessern.
Ingo Mattauch - Pfarrer

Wie ist er eigentlich damals obdachlos geworden? René erzählt es so: Alles habe mit einer Gefängnisstrafe begonnen, die er antreten musste, weil er zu oft ohne Führerschein auf dem Roller erwischt worden sei und das Strafgeld nicht habe zahlen können. Während der dreimonatigen Haft habe er dann kein Geld gehabt, um seine Mietwohnung zu bezahlen. „Die war dann weg.“ Um sich nicht weiter zu verschulden, habe er nach der Freilassung eben entschieden, auf eine Wohnung zu verzichten.

Seit seiner Zeit im Little Home scheint es für ihn wieder bergauf zu gehen, sagt er: „Schritt für Schritt, nicht in großen Schritten, aber in kleinen.“ Sogar einen kleinen Job habe er nun in Aussicht: „als Schrauber in einer Werkstatt“.

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