Essen. Nach der überraschenden Ankündigung von Essens Oberbürgermeister Wolfgang Reiniger (CDU), seinen Sitz im Aufsichtsrat des Energiekonzerns RWE AG auch nach seiner Amtsniederlegung Mitte Oktober weiter auszuüben, wächst die Kritik an seiner Entscheidung.

Sowohl der Bund der Steuerzahler als auch die bisher mit der CDU regierenden Grünen sowie die FDP und die Linkspartei halten in unterschiedlicher Nuancierung die Aufgabe des RWE-Postens von Reiniger für erforderlich. CDU und SPD stützen dagegen aus übergeordneten Motiven Reinigers Plan, im Aufsichtsrat zu verbleiben. Reiniger selbst kündigte an, seine Aufsichtsratsbezüge von 139 000 Euro pro Jahr wie bisher auch künftig nach gesetzlicher Vorschrift bis auf 6000 Euro jährlich an die Stadt abzuführen.

Der scheidende Oberbürgermeister Wolfgang Reiniger (CDU) will auch noch als Pensionär RWE-Vorstandschef Jürgen Großmann kontrollieren. Foto: Prengel
Der scheidende Oberbürgermeister Wolfgang Reiniger (CDU) will auch noch als Pensionär RWE-Vorstandschef Jürgen Großmann kontrollieren. Foto: Prengel © Stadt Essen

„Mit Reiniger ist nicht die private Person in den Aufsichtsrat gewählt worden, sondern der Amtsträger, der die Interessen der Stadt gegenüber RWE vertreten soll”, meint Eberhard Kanski, Kommunal- und Haushaltsexperte des Bundes der Steuerzahler NRW. Rein rechtlich könne Reiniger das RWE-Mandat zwar noch ausüben, da er bis 2011 von der RWE-Hauptversammlung gewählt sei, doch „dies ist kein Job für einen Politik-Rentner”. Den Sitz sollte ein aktiver Stadtvertreter mit juristischen und betriebswirtschaftlichen Kenntnissen, entweder der künftige Oberbürgermeister Paß selbst oder der Stadtkämmerer, ausüben.

„Reiniger sollte aber mit etwas Abstand diese Frage noch einmal überdenken”

Essens FDP-Chef Ralf Witzel legt Reiniger nahe, auf das Mandat zu verzichten. „Gewählt ist zwar gewählt. Reiniger sollte aber mit etwas Abstand diese Frage noch einmal überdenken.”

Kein Verständnis für Reinigers Verbleib im RWE-Kontrollorgan zeigen die Grünen. „Wenn Reiniger im Aufsichtsrat verbleibt, halte ich das nicht für richtig”, sagt Grünen-Fraktionschefin Hiltrud Schmutzler-Jäger. Reiniger trage nach der OB-Amtsübergabe schließlich keine politische Verantwortung mehr für die Stadt. Auch Essens Grünen-Chef Thorsten Drewes zeigte sich überrascht über Reinigers Verhalten. „Ich habe es für selbstverständlich gehalten, dass Reiniger das RWE-Mandat an seinen Nachfolger übergibt. Wer nicht mehr aktiv in der Stadtverwaltung und -politik eingebunden ist, kann doch nicht mehr so gut die Interessen der Stadt vertreten.”

Linkspartei empört

Empört gab sich Wolfgang Freye von der Linkspartei: „Das ist unmöglich. Reiniger hat das Mandat für die Stadt Essen bekommen, nicht als Privatmann für sich selbst.” Sollte Reiniger den RWE-Sitz behalten wollen, dann bedeute dies: „Der Einfluss der Stadt auf RWE wäre völlig weg, weil Reiniger als Privatperson an Entscheidungen des Rates nicht mehr gebunden ist.”

SPD und CDU hingegen billigen Reinigers Verbleib in dem Kontrollgremium offenbar aus strategischen Gründen. Vier Plätze im RWE-Aufsichtsrat stehen zurzeit den Kommunen zu, obwohl sie längst nicht mehr 40 Prozent der Anteile halten. Traditionell werden die Sitze paritätisch zwischen SPD und CDU sowie großen und kleinen Anteilseigner-Städten aufgeteilt.

Zöge sich Reiniger vor Auslaufen der Aufsichtsrats-Periode 2011 zurück, so die Sorge, könnte das ausbalancierte Gebilde in Wanken geraten. „Es wäre nicht gesagt, dass Paß anstelle von Reiniger in den Aufsichtsrat aufrücken würde”, heißt es. Wenn 2011 das komplette RWE-Kontrollgremium neu gewählt werde, sei es weitaus leichter, die Essener Interessen zu wahren. Nach Dortmund ist Essen größter kommunaler Aktienbesitzer.

Der neue OB Paß scheint diese Linie ebenfalls zu verfolgen. Zumindest ist aus seinem Umfeld zu hören, er habe gegen Reinigers Verbleib nichts einzuwenden.

Der scheidende OB machte zudem deutlich, dass ihm eine persönliche Bereicherung fern liegt: „Ich habe nie die RWE-Aufsichtsratsbezüge für mich persönlich vereinnahmt.” Allerdings würde er lieber zielgenau spenden: „Ich empfinde es als Ärgernis, dass ich nicht einmal bestimmen kann, welche Vorhaben mit dem Geld gefördert werden sollen, das ich mit meinem Aufsichtsratsmandat einnehme und an die Stadtkasse abführe.”