Essen. Der Gründer der insolventen Fakt AG ließ den Termin zur Vermögensauskunft ungenutzt verstreichen. Mit welchen Folgen, muss sich zeigen.

Haftbefehl. Das klingt nach klickenden Handschellen und auf den Rücken gedrehten Armen, nach der Formel „Sie haben das Recht zu schweigen...“ und ein paar Nächten im Gefängnis. Aber das ist aller Wahrscheinlichkeit nicht das, was Hubert Schulte-Kemper blüht. Sein Haftbefehl, über den in diesen Tagen eine Vollstreckungsrichterin des Amtsgerichts Marl zu befinden hat, hat mit dem Strafrecht nichts zu tun. Er dient allein dazu, „HSK“, wie ihn alle nennen, zu jenem Schritt zu zwingen, dem der einstige Chef der insolventen Fakt-Gruppe bislang stets auswich: einer Vermögensauskunft, früher „Offenbarungseid“ genannt. Es ist die Antwort auf eine simple Frage: Was ist für die Schlange stehenden Gläubiger noch zu holen bei dem Ex-Bänker, der jahrelang mit Abermillionen jonglierte und dem nun ein Ball nach dem anderen aus den Fingern gleitet?

Ein Attest des einstigen Bänkers reichte dem Obergerichtsvollzieher nicht als Entschuldigung

Am Dienstag bestätigte Andreas Wingart, der stellvertretende Direktor des Amtsgerichts Marl, auf Anfrage, dass der mittlerweile 78-jährige Schulte-Kemper zunächst formell ins Schuldnerverzeichnis eingetragen wurde, weil er Ende März einen Termin zur Vermögensauskunft ungenutzt hatte verstreichen lassen. Schulte-Kemper hatte zwar gesundheitliche Gründe als Entschuldigung angeführt, diese waren für den zuständigen Obergerichtsvollzieher Michael Fricke aber nicht stichhaltig genug. Einer daraufhin erfolgten Eintragungsanordnung ins Schuldnerregister, in dem jede Privatperson für 4,50 Euro pro Anfrage Auskunft einholen kann, widersprach „HSK“ nach Auskunft des Gerichtes nicht.

Lange Zeit Zentrale der mittlerweile insolventen Fakt AG und diverser Tochterfirmen: die einstige Ruhrgas-Zentrale an der Huttropstraße 60.
Lange Zeit Zentrale der mittlerweile insolventen Fakt AG und diverser Tochterfirmen: die einstige Ruhrgas-Zentrale an der Huttropstraße 60. © www.blossey.eu / FUNKE Foto Service | Hans Blossey

Dass der einstige Vorstandschef der Essener Hypothekenbank und spätere Frontmann der Essener Immobilien-Holding Fakt nun tatsächlich mit einer Erzwingungshaft nach Paragraf § 802g der Zivilprozessordnung rechnen muss, gilt als eher unwahrscheinlich. Eine Entscheidung soll in den nächsten Tagen fallen, aber selbst wenn diese erfolgt, sind Rechtsmittel möglich. „Ein stumpfes Schwert“, seufzen Eingeweihte.

Drei Gläubiger haben Millionen-Forderungen angemeldet – und die nächsten stehen auf der Matte

So oder so, es geht immerhin um viel: Gleich drei Gläubiger haben gegen Schulte-Kemper oder gegen ihm gehörende Firmen Forderungen in stattlicher Höhe angemeldet. Dem Vernehmen nach handelt es sich um die Sparkasse Vest aus Recklinghausen, die Kreditplattform creditshelf solutions aus Berlin und einen Fonds des privaten Beteiligungsunternehmens Horizon Capital. Allein die Ansprüche der letztgenannten Firma sollen sich auf mehr als sechs Millionen Euro belaufen.

Adolf-Grimme-Straße 3 in Marl, Seiteneingang: Hier sollte sich Hubert Schulte-Kemper zur Abgabe der Vermögensauskunft einfinden, doch Obergerichtsvollzieher Michael Fricke wartete vergeblich. Jetzt droht ein Haftbefehl.
Adolf-Grimme-Straße 3 in Marl, Seiteneingang: Hier sollte sich Hubert Schulte-Kemper zur Abgabe der Vermögensauskunft einfinden, doch Obergerichtsvollzieher Michael Fricke wartete vergeblich. Jetzt droht ein Haftbefehl. © FUNKE Foto Services | Jürgen Metzendorf

Glaubt man Kennern der Materie, sind diese Forderungen nur die berühmte Spitze des Eisbergs. Weitere Forderungen in sieben-, womöglich auch achtstelliger Höhe stehen im Raum, darunter etwa die Klage eines Schweizer Finanzierers, der von einer Besitzgesellschaft Schulte-Kempers, der Marler HSK Finanzmanagement GmbH, ebenfalls knapp sechs Millionen Euro einfordert. Eine Klage ist eingereicht, über sie soll in einigen Wochen am Landgericht verhandelt werden.

Staatsanwaltschaftliche Ermittlungen im Umfeld der Fakt AG werden noch einige Zeit in Anspruch nehmen

Daneben laufen nach wie vor und bis auf weiteres staatsanwaltschaftliche Ermittlungen im Umfeld der insolventen Fakt AG und ihrer zahlreichen, meist ebenfalls insolventen Tochtergesellschaften. Wie die Essener Staatsanwaltschaft auf Anfrage bestätigte, werden derzeit die zur Verfügung stehenden Unterlagen und Daten durch den Wirtschaftsreferenten der Staatsanwaltschaft Essen ausgewertet. Schnellschüsse sind kaum zu erwarten, wie der Sprecher der Staatsanwaltschaft Leif Seeger betont: Die Ermittlungen, so heißt es, befänden sich noch „in einem frühen Stadium“. Und noch sei unklar, wer zum Kreis der Beschuldigten und den betroffenen Tochterunternehmen zählt. „Es ist zu erwarten, dass dieser Vorgang noch eine längere Zeit in Anspruch nehmen wird.“

Zeit, die HSK offenbar nicht ungenutzt verstreichen lassen will: Er hat eine Reihe von Strafanzeigen angekündigt – unter anderem gegen berichterstattende Journalisten.