Essen. Bei der närrischen Ratssitzung im Rathaus Essen haben die Jecken eine ungewöhnliche Forderung. Die Politik reagiert mit etwas ungelenken Reimen.

Der Bierstand im Rathaus-Foyer und zahllose Narrenkappen verraten es schon: An diesem Samstag findet keine gewöhnliche Ratssitzung statt. Bei der 21. Närrischen Ratssitzung kapern Karnevalisten aus Essen und Umgebung den Ratssaal. Im Gepäck haben sie eine ungewöhnliche, freilich nicht ganz ernst gemeinte Forderung an die Politik.

Zunächst begrüßt Bürgermeisterin Julia Jacob die „verehrten Tollitäten“, die auf den Stühlen Platz genommen hatten, auf denen sonst die Ratsleute diskutieren. Zur Freude der Anwesenden lässt sie durchblicken, dass es ihr auch bei „manch einer normalen Ratssitzung schwerfällt, ernst zu bleiben“.

Neben dem Essener Stadtprinzenpaar Prinz Uwe I. und Prinzessin Anja I. sowie dem Kinderprinzenpaar Prinz Luca I. und Prinzessin Leo I. sind auch ihre Pendants aus Wuppertal, Hilden, Velbert oder Moers nach Essen gekommen. Nach drei Jahren Corona-Pause kann das Treffen erstmals wieder stattfinden.

Wo sonst die Essener Stadtspitze diskutiert, nahmen am Wochenende Prinz Uwe I. und Prinzessin Assindia Anja samt Gefolge Platz.
Wo sonst die Essener Stadtspitze diskutiert, nahmen am Wochenende Prinz Uwe I. und Prinzessin Assindia Anja samt Gefolge Platz. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Volker Saßen, 1. Vorsitzender des Festkomitees Essener Karneval e.V. (FEK), verliest den nicht ganz ernst gemeinten Antrag der Karnevalisten. Darin fordern die Närrinnen und Narren nicht weniger als die Einführung eines Brauchtums Pflicht Abgabe Gesetzes – kurz BPAG. Mit einem Euro pro Essener Bürger pro Jahr „wären alle unsere Sorgen gelöst“ und der Karneval mit den rund 594.000 Euro zukunftsfest aufgestellt.

Geld für prunkvollere Wagen und hochwertiges Wurfmaterial

Natürlich, so Saßen, seien die Karnevalisten bereit, Gegenleistungen zu erbringen. Zum Beispiel alle Zugmaschinen der Festumzüge auf Elektroantrieb umzustellen. Oder die Einnahmen in prunkvollere Wagen und „hochwertigeres Wurfmaterial“ zu investieren, damit Essen den Karnevalshochburgen Köln und Düsseldorf den Rang abläuft.

Nun ist es an den Fraktionsvertreterinnen und -vertretern von Grünen, CDU, SPD und FDP – in dieser Reihenfolge – zu dem Antrag Stellung zu nehmen. Unter Missachtung jeglicher Reimschemata folgen die ersten Antworten in Versform. Die grüne Ratsfrau Elke Zeeb schiebt den schwarzen Peter an Kämmerer und Kulturdezernent weiter und lehnt ab, „weil nicht jeder in dieser Stadt ein Narr ist“.

„Das Brauchtum in Essen ist uns hier im Rat sehr wichtig“

Dirk Kalweit, nicht nur stellvertretender CDU-Fraktionsvorsitzender, sondern auch Ehrenmitglied der Essener Prinzengarde, ergreift Partei für die Karnevalisten. Mit etwas zu vielen Silben im Versmaß lässt er sie wissen „auch beim heiklen Thema Finanzen, werden wir uns als Rat der Stadt nicht hinterm Rathaus verschanzen. Denn das Brauchtum in Essen ist uns hier im Rat sehr wichtig und gerade der Karneval – oh wei – ist doch in Essen das Gelbe vom Ei.“

Gleichzeitig warnt er davor, dass die rot-grünen Kollegen den Hals nicht vollkriegen, sobald einmal eine Steuer beschlossen ist, und gar monatlich die Hand aufhalten werden: „Bei sieben Millionen da kriegen die Grünen schon leuchtende Augen – mein Gott, wie viel Fahrradwege könnt ihr davon nur bauen!“ Das trifft den Humor des Publikums, und von Applaus begleitet übergibt er an die als Zirkusdirektorin verkleidete SPD-Frau Julia Klewin. Sie dichtet ungeniert weiter und stimmt dem Antrag überraschend zu.

FPD stimmt der Forderung nach einer Brauchtums-Abgabe nicht zu

Hans-Peter Schöneweiß verzichtet dankenswerterweise aufs Reimen. Trotz seiner Eigenschaft als „Protektor des Essener Karnevals“ kann er nicht aus seiner FDP-Haut – und pariert naturgemäß eine Forderung nach Abgabe mit Ablehnung.

So steht es am Ende 2:2 – unentschieden. Auf eines können sich die Narren und Ratsleute einigen: Traditionell gibt es am Ende der Närrischen Ratssitzung Erbsensuppe für alle. In der 22. Etage. Von hier haben die Prinzenpaare einen besonders guten Blick auf ihr Karnevalsreich und stoßen an auf die Session 2023/2024, die jetzt erst richtig Fahrt aufnimmt.

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