Essen. Sie treten als Marilyn Monroe, James Dean oder Audrey Hepburn auf: Essener Senioren stellen für einen Kalender berühmte Filmszenen nach.
Elisabeth Schulz ist 97 Jahre alt und hat bis vor kurzem noch im eigenen Zuhause gewohnt. Vor einem halben Jahr zog sie ins Seniorenstift „Martin Luther“ in Dellwig, wo sie jetzt für einen Fotokalender posierte: Sie ist der älteste Star der „Old Stars“, die alle in Seniorenheimen der Essener Contilia wohnen und für den Kalender berühmte Filmszenen nachgestellt haben, in Schwarz-Weiß. Elisabeth Schulz hat das Shooting ganz persönlich berührt.
Die Abschiedsszene aus „Casablanca“ berührt die 97-Jährige
Die alte Dame ist in der Abschiedsszene von „Casablanca“ zu sehen, das Oktober-Motiv des Kalenders. Im Film stehen sich die Schauspieler Ingrid Bergman als Ilsa und Humphrey Bogart als Rick am Flughafen gegenüber und sagen einander Lebewohl. Auch Elisabeth Schulz hat vor langer Zeit einen solchen Abschied erlebt: Als junge Frau war sie in einen Opernsänger verliebt, sah sich jede Vorstellung an, hatte eine Liebesaffäre mit ihm. „Doch unsere Liebe war nicht für die Ewigkeit bestimmt, Erwin musste weiterziehen, zu neuen Bühnen, zu neuen Fans“, verrät sie in der Notiz, die jedes Kalenderblatt ergänzt.
Heute erinnere sie sich mit Wehmut und Zärtlichkeit an die Momente mit Erwin. Keine Frage, dass sie gleich zusagte, als sie im Seniorenstift gefragt wurde, ob sie in die Rolle der Ilsa schlüpfen wolle. „Die Szene kam mir ja bekannt vor.“ Gemeinsam mit Eva-Maria Heitkämper, die als Betreuungsfachkraft im Seniorenstift arbeitet, ging sie shoppen, kaufte Bluse, Jackett, Hut und Perücke ein. Beim Fotoshooting wurde ihr Look perfektioniert: „Es war schön, dass wir geschminkt worden sind“, sagt Elisabeth Schulz.
Leicht sei ihr der Umzug ins Pflegeheim nicht gefallen, so viele Möbel und Erinnerungsstücke musste sie zurücklassen. Nun nimmt sie an allen Ausflügen und Aktivitäten teil, besucht Gottesdienst und Gedächtnistraining, spielt Bingo, liest täglich die Zeitung, löst die Kreuzworträtsel. Und sagt doch: „An manchen Tagen ist es etwas wenig.“
Senioren haben schon Filme gedreht und an einem Tanzwettbewerb teilgenommen
Die Contilia, die die Bewohner und Bewohnerinnen ihrer Seniorenheime zum neunten Mal in einem Fotokalender in Szene setzt, hat auch schon Filme mit ihnen gedreht, Tanzwettbewerbe organisiert. Dabei geht es nie allein um das greifbare Ergebnis, sondern immer um die Vorfreude, die Aufregung, um Lampenfieber und Lebensfreude. „Es ist jedes Mal ein besonderes Ereignis, eine tolle Stimmung“, sagt Katja Grün, die das Projekt für die Contilia leitet.
Für das Fotoshooting den Bart abgenommen
Auch Erich Statje, der an der Seite von Elisabeth Schulz als Rick posiert, war sofort dabei. Der 73-Jährige ist in Kray geboren, als ältestes von fünf Kindern. Die Familie zog später nach Freisenbruch, wo der Vater eine Sportanlage betreute und die Kinder den nahen Wald zum Spielplatz machten. Seine schönste Zeit habe er in Rüttenscheid verbracht; 35 Jahre lang lebte er dort, arbeitete als Galvaniseur, hat gekegelt, Klarinette und Billard gespielt. „Mir war nie langweilig.“
Auch Schauspielerfahrung habe er gesammelt, nebenberuflich. Als Puck habe er in Shakespeares „Was Ihr wollt“ auf der Bühne gestanden, nachts die Rolle geübt. In Filmen sei er als Arbeitsloser, SS-Offizier und Polizist zu sehen gewesen. Einmal ging Statje in Uniform, das Gewehr auf dem Rücken in eine Drehpause in eine Kneipe – und blieb so lange, bis der Regisseur ihn suchte.
Klar, sagt einer wie Statje nicht Nein, wenn er als Humphrey Bogart angefragt wird; sogar seinen Schnauzer hat er für das Foto abrasiert. „Der wächst ja wieder.“ Inzwischen trägt er den Bart wieder und kommt zum Gespräch in Jeans, Hemd mit zartrosa Karo und pinkem Pulli, auch die Socken sind pink. Er lege Wert auf seine Kleidung: „Ich bin ja keine Vogelscheuche.“
Marlon Brando, Charlie Chaplin und Audrey Hepburn sind auf dem Kalender zu sehen
Auf dem Kalender sind selbstverständlich gar keine Vogelscheuchen zu sehen, sondern alte Menschen, die tipptopp gestylt als Audrey Hepburn auftreten, als Marlon Brando oder Marilyn Monroe. Der 93 Jahre alte Bernhard Dyga, der im Emmaus-Quartier in Schönebeck lebt, gibt James Dean, der nur 24 (und unsterblich) wurde, heute allerdings auch schon 92 wäre.
Auf dem August-Bild lehnt Bernhard Dyga an einer Backsteinmauer, die Zigarette lässig in der Hand. Dyga ist Nichtraucher, hat 40 Jahre bei Krupp gearbeitet und nach einem Schlaganfall die Sprache zurückerobern müssen. Den Vergleich mit Frauenschwarm James Dean scheut er nicht: „Ich sehe die Frauen gern“, erzählt er. „Und sie haben mich gern gesehen – auch im Unterhemd.“
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