Essen. Was in den Supermärkten nicht mehr zu verkaufen ist, verteilen die „Foodsaver“. Zur Aktion am Heiligabend in Essen kamen mehr als 1000 Menschen.
Eine Druckstelle an einem Apfel, das abgelaufene Mindesthaltbarkeitsdatum eines Joghurts oder ein nicht verkauftes Brot vom Vortag: Diese und unzählige weitere Gründe sorgen dafür, dass in Deutschland jedes Jahr tonnenweise Lebensmittel im Müll landen. Um gegen die Lebensmittelverschwendung anzugehen, gibt es in Essen immer mehr „Foodsaver“, also „Essensretter“. Diese Gemeinschaftsinitiative hat es sich zur Aufgabe gemacht, überschüssige Lebensmittel vor der Verschwendung zu bewahren und sie kostenlos mit denen zu teilen, die sie brauchen.
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Zum dritten Mal fand eine große Aktion an Heiligabend statt. Unter dem Motto „Fairteilung“ legten „Foodsaver“ ihre Abholungen von nicht verkauften Lebensmitteln, beispielsweise aus Supermärkten und Bäckereien, zusammen und „fairteilten“ diese öffentlich. Rund 40 freiwillige Helferinnen und Helfer trafen sich auf dem AWO-Gelände in Frintrop zu der großen Verteilungsaktion.
„Wir ,fairteilen‘ heute mindestens zwei bis drei Tonnen Lebensmittel“
Eva Niehues, „Foodsaver“-Botschafterin, freut sich darüber, dass viele Menschen gekommen sind, um Lebensmittel zu retten: „Wir ,fairteilen‘ heute mindestens zwei bis drei Tonnen Lebensmittel, das sind rund 1000 Kisten. Es tut mir natürlich leid, dass aufgrund des hohen Andrangs eine lange Schlange und somit höhere Wartezeiten entstehen, bisher ist aber noch niemand leer ausgegangen.“ Niehues schätzt, dass sich insgesamt rund 1000 Menschen in die lange Warteschlange stellen, um Lebensmittel zu retten. Schaut man sich auf dem Platz um, auf dem die Verteilung stattfindet, denkt man an einen Wochenmarkt. Obst und Gemüse wie Bananen, Zitronen, Orangen, Salate und Paprika stehen auf den Tischen unter den Pavillons. Auch Mehl, Nudeln, Joghurt, Salatsauce, Brot und sogar Hundefutter werden verteilt.
„Foodsaverin“ Eva Marx erklärt, warum die Lebensmittel, die augenscheinlich noch gegessen werden können, im Normalfall in der Tonne landen: „Bei den Milchprodukten, wie Joghurt oder Quark ist es oft das überschrittene Mindesthaltbarkeitsdatum. Die Supermärkte dürfen abgelaufene Lebensmittel aus rechtlichen Gründen nicht mehr verkaufen, jedoch ist beispielsweise ein Joghurt nicht schlecht, nur weil das Mindesthaltbarkeitsdatum am Tag zuvor abgelaufen ist.“ Auch der Dreierpack Paprika lande oft im Müll, wie Marx erzählt: „Eine matschige Paprika führt dazu, dass die gesamte Packung im Müll landet. Wir entsorgen dann das nicht mehr genießbare Gemüse und retten somit den Rest der Packung.“
„Ich verabscheue diese Wegwerfgesellschaft“
Eine „Foodsaverin“ die gekommen ist, um Lebensmittel abzuholen ist Tamara Riedel. Die 28-Jährige kommt aus Borbeck und steht geduldig in der Warteschlange. „Ich verabscheue diese ‚Wegwerfgesellschaft‘, in der wir leben. Mit der Rettung der Lebensmittel tut man der Umwelt etwas Gutes, deshalb bin ich heute hier. Meine Tochter sagt, dass ich eine Heldin bin, weil ich Lebensmittel rette.“
Eva Niehues erzählt, dass die Menschen, die kommen, um Lebensmittel abzuholen, aus allen gesellschaftlichen Schichten kommen: „Es ist wirklich eine bunte Mischung. Vom Gutverdiener, über Familien, Rentner bis hin zum Bürgergeld-Empfänger, haben wir alle dabei. Das Schöne an den Verteilaktionen ist, dass es eine sinnvolle Sache ist, die viele Menschen anspricht.“
Die Abholer kommen aus allen gesellschaftlichen Schichten
Oft bekomme man auch rührende Geschichten bei den Verteilaktionen mit, erzählt Marcel Delker. Er ist Landschaftsökologe und „Foodsaver“. „Zu uns kommen oft Rentner, die dann ihre gesamte Nachbarschaft mit Obst und Gemüse versorgen. Manchmal sind natürlich auch traurige Geschichten dabei, beispielsweise, wenn man den Menschen anmerkt, dass sie nichts haben und auf die Lebensmittel, die wir verteilen, angewiesen sind.“
Die Menschen seien sehr dankbar, das sei zu merken, so Delker. Eine Begrenzung bei der Mitnahme der Lebensmittel gebe es nicht, sagt Eva Marx: „Jeder darf das mitnehmen, was er möchte. Wir achten aber darauf, dass es fair bleibt. Wenn wir beispielsweise sechs Pakete Erdbeeren zur Verfügung haben, dann ist es nicht erlaubt, dass eine Person fünf Pakete mitnimmt und die anderen Abholer leer ausgehen.“ Die Nachfrage sei bei den Kühlwaren, wie Milch und Joghurt, am höchsten. Davon sei aber in der Regel am wenigsten da, sagt Eva Niehues.
„Bei uns landet nichts in der Tonne“
Und was passiert mit den Lebensmitteln, die auch nach der Verteilaktion noch übrigbleiben? „Wir haben drei Großabnehmer, die hier übrig gebliebene Lebensmittel für Obdachlose abholen. Für Lebensmittel, die dann noch übrig sind, arbeiten wir auch mit Bauernhöfen zusammen, die die Lebensmittel dann zur Fütterung ihrer Schweine verwenden. Bei uns landet nichts in der Tonne“, so Niehues.