Essen. Umjubelter Auftritt nach überstandenem Herzstillstand: Rafael Cortés beglückt seine Fans in der Lichtburg mit neuen Stücken und alter Klasse.
An einem Freitagabend im Dezember 1980 kamen in San Francisco die Gitarren-Großmeister Paco de Lucia, John McLaughlin und Al Di Meola zusammen und schufen mit dem Erbe des spanischen Flamenco ein musikalisches Manifest innovativer Gitarrenmusik. Doch dieser Montagabend in Essen, an dem der Flamenco-Gitarrist Rafael Cortés mit seiner Gruppe von sechs Instrumentalisten und einer Tänzerin in der nahezu ausverkauften Lichtburg ein Konzert gab, enthielt nicht weniger, vielleicht sogar noch mehr berührende Momente.
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Das traditionelle Weihnachtskonzert war einerseits ein Zeichen des fast 50-jährigen Cortés – er hat am 21. Dezember Geburtstag -, der nun signalisieren wollte, dass er nach dem schicksalhaften Konzert in Köln vor rund einem Jahr, bei dem er einen Herzstillstand erlitt und durch seinen Sohn und den Perkussionisten reanimiert werden musste, wieder zu seiner Musik und alter Klasse zurückgefunden hat. Andererseits war der begeisterte Begrüßungsapplaus seiner Fangemeinde ein deutliches Zeichen von Anteilnahme, Ermunterung und dem Glück, fortan wieder exzellente Musik des weltweit gefeierten Ausnahmemusikers und Enkel der Flamenco-Legende Octavio Cortés Maya genießen zu können. Im Repertoire waren auch Titel seiner neuen CD „Espada de Fuego“.
Als Solist eröffnet er das Konzert und will sich „nur etwas warm spielen“. Doch nach wenigen Takten wird bereits deutlich, dass seine überragende Spieltechnik mit den flinken Zupffingern, die wohlklingende Arpeggios gleichsam am hochtourig laufenden Fließband produzieren, in keiner Weise gelitten hat. Cortés aber weiß, dass einer zu perfekten Technik häufig etwas Seelenloses anhaftet. Während seiner Rekonvaleszenz ist er vermutlich häufig in sich gegangen, was man seinen Liedern, die häufig mehrere Sätze mit unterschiedlichen Tempi beinhalten, deutlich anmerkt.
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Mit sicherem Gespür für Abwechslung baut der Essener Musiker immer wieder Passagen ein, in denen sein Spiel zwischen ernsthaft nachdenklich und romantisch versonnen klingt. Gepaart mit dem explosiven Flamenco ergibt sich eine klangliche Achterbahn-Fahrt durch unterschiedlichste Gefühlsebenen. Bei aller Verpflichtung für das spanische Klangerbe demonstriert er eine enorme stilistische Offenheit. Vielfach baut er in seine Kompositionen Melodie-Passagen ein, die auch in Chansons, italienischen Canzoni oder griechischer Volksmusik hätten vorkommen können, manche Harmonien scheinen auch von Pop oder Rock inspiriert.
Der exzellente Sänger Miguel de la Tolea, der zudem das rhythmische Händeklatschen des klassischen Flamenco übernimmt, die Gitarristen Juanfe Luengo, Miguel Sotelo und Rafael Cortés junior, E-Bassist Volker Kamp sowie der Cajonspieler David Bravo stärken Rafael Cortés den Rücken. Bestechend sind das Timing, das Gefühl für Dynamik und die wechselnden Rhythmen, etwa wenn Chick Coreas jazzigem „Spain“ der rasendschnelle Evergreen „Tico Tico“ folgt. Trotz der Virtuosität aller musikalisch Beteiligten bleibt Cortés der unbestrittene Líder del grupo.
Unbestreitbare Höhepunkte sind jedoch die zwei Auftritte der Flamenco-Tänzerin Rafaela Escoz, die nicht nur ein atemberaubendes Stakkato auf die Bühne hämmert, sondern ihren Tanz zudem mit Darstellungsformen des Modern Dance anreichert. Unter den wiederholten Anfeuerungsrufen „Danzar!“ und „Olé“ beherrscht sie tänzerisch nicht nur perfekt das traditionelle Flamenco-Repertoire, sondern modernisert den Flamenco durch ein zeitgemäßes Frauenbild, das maßgeblich von Selbstbewusstsein und Selbstbestimmung geprägt ist. So funktioniert sie ihren Blazer kurzerhand zur Capa um, und lässt imaginäre Männer wie Stiere in der Arena ins Leere laufen. Nach einer Zugabe verabschiedet tosender Jubel und frenetischer Applaus einen Musiker, dem ein perfekter Neustart gelungen ist.
Am 22. Dezember gibt Rafael Cortés ein weiteres Konzert in Schloss Borbeck.
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