Essen. Der Großmeister der Flamenco-Gitarre hatte mal eine sechs in Musik. Trotzdem hat die Karriere für Rafael Cortés in Altenessen früh angefangen.

Wenn Rafael Cortés über den Schotterhof der Zeche Carl schlendert, dann ist sie ganz schnell wieder da, die Erinnerung an die Kindheit in Altenessen. Zehn Jahre ist er alt und in der Nachbarschaft vor allem als passabler Fußballspieler bekannt, als der Junge eines Tages im Geschäftsführer-Büro steht und einfach mal fragt, ob er hier nicht mal mit seiner Gitarre spielen dürfe. Er darf. Nachdem Papa Cortés, der damals auf der Stauderstraße eine Autowerkstatt betreibt, sein Okay gegeben hat. Über 35 Jahre und viele internationale Karrierestationen ist das her. Doch Rafael Cortés hat die Anfänge nie vergessen. Und deshalb kehrt der virtuose Flamenco-Gitarrist am 13. August nach all den Jahren wieder in die Zeche Carl zurück. „Ich will mal wieder für meine Leute spielen.“

Bei seinem ersten Konzert ist der Saal damals gleich rappelvoll, neben den stolzen Eltern sind viele Mitschüler und auch ein paar Lehrer der Mallinckrodtschule dabei. Dabei hat der kleine Rafael auf dem Zeugnis zuvor noch eine glatte sechs in Musik kassiert. Der Junge sei einfach „unmusikalisch“, fand die Musiklehrerin. Dass sie mit dieser Einschätzung nicht ganz richtig liegt, soll sich schnell herausstellen.

Rafael Cortes freut sich auf das Heimspiel in der Essener Zeche Carl.
Rafael Cortes freut sich auf das Heimspiel in der Essener Zeche Carl. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

Heute ist Rafael Cortés ein Star der Flamenco-Szene, seine technische Brillanz und musikalische Sensibilität sind da gefragt, wo die Größen der Musikbranche ihren Auftritt haben. Anfang April war er noch im kleinen Saal der Hamburger Elbphilharmonie zu erleben, in der Alten Oper Frankfurt ist er ein gern gesehener Gast, und bei den Leverkusener Jazztagen sowieso. Auch die Konzerte in der Essener Lichtburg sind mittlerweile Kult. In der Zeche Carl allerdings hat man den Großmeister der Flamenco-Gitarre lange nicht mehr erleben können.

Rafael Cortés, dieser andalusische Altenessener, ist mit seiner Heimatstadt eng verbunden

Dabei ist Rafael Cortés, dieser andalusische Altenessener, eigentlich die Bodenständigkeit in Person. „Ich bin hier zu Hause und will hier auch nicht weg.“ Mittlerweile lebt der 48-Jährige sogar wieder in der Straße, in der er aufgewachsen ist. Und freut sich darüber, wenn er nach einer gefeierten Konzerttour mit dem Tourbus nach Hause kommt und ein Nachbar beiläufig fragt: „Na Dicken, spielze immer noch Gitarre?“

„In Altenessen hab ich noch niemals ein Autogramm gegeben“, berichtet Rafael Cortés. Hier ist er einfach „der Spanier“, der noch familiäre Wurzeln in Granada hat, aber irgendwie doch auch ein Ruhri ist. Einer freilich, der die Gefühlswelt zwischen feuriger Leidenschaft und zarter Melancholie auf seiner Gitarre so intensiv und authentisch ausloten kann, dass er schon als Jugendlicher in den Ferien mit den Größen der Flamenco-Szene durch die Welt tourt.

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Rafael Cortés hat mit Stars wie Paco de Lucia oder Al Di Meola zusammengearbeitet. Am liebsten aber spielt er im Familienverbund. Sein Sohn Rafael Cortés junior ist seit vielen Jahren sein vertrauter Bühnenpartner. Und mittlerweile auch so etwas wie sein Manager. Denn Cortés Junior ist nicht nur so versiert an der Gitarre wie sein Vater, er hat auch Bürokaufmann gelernt und will mit der Künstlervermittlung in Zukunft ein zweites Standbein aufbauen. Cortés Senior ist glücklich über die Pläne. Er glaubt an das musikalische Zusammenführen von Kulturen, an die Symbiose der guten Leute, die Faszination des Live-Erlebnisses. Auch und trotz der Corona-Pandemie, die ihm einen Moment lang dann doch Existenzangst bereitet hat.

Mit der Gitarre verhält es sich wie mit Harry Potters Zauberstab

Infos zum Konzert

Rafael Cortés Y Grupo spielen am Samstag, 13. August, 20 Uhr, in der Zeche Carl, Wilhelm-Nieswandt-Allee 100.

Tickets kosten im Vorverkauf 25 Euro zzgl. Gebühren und an der Abendkasse 30 Euro. www.zechecarl.reservix.de

Er hätte in den vergangenen Monaten unter anderem in China spielen sollen und in Polen. Vieles wurde abgesagt. In der Zeche Carl aber kann man den Ausnahme-Gitarristen am 13. August erleben. Auch mit neuen Stücken und einer neuen Gitarre, die er in Altenessen einweihen will.

Den besonderen Zauber eines Instrumentes hat er seiner Nichte vor kurzem so erklärt. Dass sei wie bei Harry Potter. Dem sei der Zauberstab praktisch auch zugeflogen. Genau so verhalte es sich mit einer Gitarre: „Da muss was passieren. Das spürst du in drei Sekunden.“

Das Programm wird er erst am Konzerttag zusammenstellen, „wie ich mich gerade fühle“. Die Vorfreude ist groß bei Cortés, aber „das Komische ist, dass ich damals nicht so nervös war wie heute.“