Essen. Der Stadtrat hat das neue Verkehrskonzept für die Rüttenscheider Straße wie erwartet beschlossen. Was ein Gruppe von Einzelhändlern nun vorhat.

Mit der Mehrheit aus CDU, Grünen und Linken hat der Rat der Stadt am Mittwochabend die seit Monaten diskutierte Autoverdrängung für die Rüttenscheider Straße beschlossen. Ziel ist es, den Radverkehr auf der Fahrradstraße weiter zu privilegieren, indem die freie Fahrt auf der Rü für Autos an mehreren Stellen unterbrochen und eingeschränkt wird. Eine Gruppe von Einzelhändlern um den Boutique-Besitzer Ralph Cremer prüft nun, ob man gegen den Ratsbeschluss klagen kann.

Vertrag mit der Umwelthilfe als möglicher Hebel für eine Klage

Ein möglicher Hebel dafür könne der Vertrag mit der Deutschen Umwelthilfe sein, der von Schwarz-Grün als Begründung für den Beschluss genannt wird, der nach Ansicht Cremers jedoch Ungereimtheiten zu Lasten der Rüttenscheider Straße enthalte. „An der A 40 ist die Belastung mit Schadstoffen zu hoch, aber was hat das eigentlich mit der Rü zu tun?“, fragt Cremer. Wenn man die Luftqualität an der A 40 verbessern muss, läge eine Autoverdrängung an anderen Straßen viel näher. Hier liege ein hohes Maß an Willkür vor.

Cremer zufolge gehe es nicht um einen Schnellschuss: „Wir haben einen Fachanwalt gefunden, der das für uns seriös abschätzen wird.“ Klar sei aber eines: „Wenn wir eine Chance sehen, ziehen wir vor Gericht.“ Neben der juristischen Ebene werde man weiter auch Informationspolitik betreiben und immer wieder auf die drohenden Folgen für die beliebte Einkaufs- und Ausgehstraße verweisen. Das Votum des Rates bezeichnete Cremer, der vor einigen Wochen auch eine Demo organisierte, als „schwarzen Tag für Rüttenscheid“.

Organisator Ralph Cremer (links mit Megafon) am 28. Oktober bei der Demo gegen die geplanten Auto-Sperren auf der Rüttenscheider Straße.
Organisator Ralph Cremer (links mit Megafon) am 28. Oktober bei der Demo gegen die geplanten Auto-Sperren auf der Rüttenscheider Straße. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

CDU schließt weitere Restriktionen für den Autoverkehr auf der Rü aus

Ziel des im Rat beschlossenen Konzeptes ist es, die Zahl von heute bis zu 12.000 Fahrzeugen täglich auf 4000 Fahrzeuge zu reduzieren. Die Entscheidung sei ein Kompromiss, betonte CDU-Fraktionschef Fabian Schrumpf und hob hervor: Jedes Geschäft auf der Rü bleibe auch mit dem Auto erreichbar. Schrumpf zog zugleich für seine Fraktion einen Schlussstrich unter eine langwierige politische Debatte, die die Kooperation zwischen CDU und Grünen auf eine harte Belastungsprobe gestellt hat. „Weitere Einschränkungen für den Autoverkehr auf der Rü wird es mit der CDU nicht geben.“

Die Linke hätte sich nach eigenen Angaben weitergehende Einschränkungen vorstellen können, die Grünen zeigten sich am Mittwoch im Rat zufrieden mit dem Erreichten. In einer Mitteilung unmittelbar nach dem Kompromiss mit der CDU hatten die Grünen allerdings von einem „ersten konsequenten Schritt“ gesprochen und erklärt, man habe sich mehr Restriktionen für den Autoverkehr vorstellen können. Das hatte unter anderem bei der Industrie- und Handelskammer für Irritationen gesorgt: „Bewertungen wie diese schüren bei den Rüttenscheider Gewerbetreibenden die Sorge, dass nach und nach immer weitere Einschränkungen bis hin zu einem Ausschluss des motorisierten Individualverkehrs von der Rüttenscheider Straße erfolgen könnten.“

Vertreter von AfD und FDP warnten vor negativen Folgen für den an der „Rü“ ansässigen Einzelhandel. Die SPD warb vergebens dafür, die Entscheidung zu verschieben, auch damit die Verwaltung für den Radverkehr eine alternative Verkehrsführung hätte finden können.

Bis Mitte kommenden Jahres will die Stadtverwaltung die Details planen

Das von der Stadtverwaltung vorgelegte Konzept sieht vor, dass der zentrale Bereich der „Rü“ zwischen Martinstraße/Franziskastraße und „Stern“ zur Einbahnstraße in Fahrtrichtung Innenstadt wird. Von der Huyssenallee aus Richtung Norden sowie von der Bredeneyer Straße aus Richtung Süden kann die Rüttenscheider Straße nicht mehr auf direktem Weg durchfahren werden. An bestimmten Tagen wird der Straßenabschnitt zwischen „Stern“ und Bertholdstraße außerhalb der Geschäftszeiten für den Autoverkehr gesperrt.

Die Verwaltung wird das Verkehrskonzept nun bis Mitte kommenden Jahres im Detail planen und dann umsetzen. Dies soll mit der Ausweisung von Lieferzonen und der Einrichtung eines Parkleitsystems einhergehen, so wie vom Rat der Stadt bereits im Februar 2022 beschlossen.

IGR: Es ist Zeit, die schlechte Presse über Rüttenscheid zu beenden

Die Interessengemeinschaft Rüttenscheid (IGR), die die Änderungen der Verkehrsführung ebenfalls kritisiert, hat sich auf Kompromisskurs begeben. „Es ist jetzt an der Zeit, schlechte Presse zum Stadtteil zu beenden“, schreibt Vorsitzender Rolf Krane in seinem aktuellen Newsletter. Krane zufolge könnte der Zeitpunkt kommen, dass die negative und streitgeprägte Berichterstattung über Rüttenscheid mehr Schaden anrichte als die vom Rat beschlossenen Maßnahmen. „Wir werden weiterhin für Rüttenscheid das Beste aus der gegebenen Lage machen.“

Auch die IHK, die DEHOGA als Interessenvertreter der Gastronomen und der Handelsverband waren zuletzt auf Kompromisskurs. Allerdings gebe es eine „Erwartungshaltung an den Stadtrat, dass in absehbarer Zukunft keine weiteren Änderungspläne Unruhe in die Rüttenscheider Unternehmerschaft bringen“, heißt es in einer Mitteilung, die mit einer Warnung verbunden ist: „Eine Salami-Taktik würde das Vertrauen der Unternehmerschaft in die Essener Kommunalpolitik nachhaltig schädigen.“

Zudem verlasse sich die IHK auf die Zusicherung der CDU, „dass es keine neue Verkehrsführung auf der Rü geben wird, bevor nicht auch die Maßnahmen zur Verbesserung der Park- und Anlieferersituation umgesetzt und ein neues Verkehrsleitsystem implementiert worden ist“, betont IHK-Hauptgeschäftsführerin Kerstin Groß.