Essen. Etliche Klassikfans der türkischstämmigen Community feiern den Pianisten Fazil Say und das NRW-Ensemble „Les essences“ in der Philharmonie Essen.

Mit ihrer Reihe „Sounds of Heimat“ unternimmt die Essener Philharmonie nun schon seit Jahren Streifzüge durch die Klänge der Welt: Entdeckungsreisen wie jetzt in die Kunstmusik der Türkei. Und die repräsentiert derzeit kaum jemand besser als der international gefeierte und auch in Essen immer wieder gern gehörte Pianist und Komponist Fazıl Say. Zusammen mit dem Geiger Önder Baloglu und dessen NRW-Ensemble „Les essences“ sorgte er für einen überaus spannenden Abend.

„Ein wunderbares Kammerorchester, von dem man noch viel hören wird“, erteilte der Tastenstar den 18 Spitzenmusikern aus 15 Nationen den Ritterschlag. Tatsächlich weiß die im Stehen agierende Truppe mit ihrem äußerst filigranen Spiel und geradezu wilder Musizierfreude mitzureißen.

Vitale, gestische Musik voller Stolz, Zärtlichkeit und Schrecken

In der „Chamber Symphony“ op.62 etwa, in der Fazıl Say nach eigenem Bekunden alle Merkmale der türkischen Musik vereinte: Gipsy Music aus Istanbul, orientalische Skalen und verschleierte tänzerische Bewegung, vor allem aber die Urkraft des Rhythmus bis zum komplizierten 17/18tel-Takt. Oder in seinem Stück „Das verschobene Haus“, das wie ein Film vor dem geistigen Auge des Zuhörers abläuft. Vitale, gestische Musik von Stolz, Zärtlichkeit und Schrecken ist das, umrahmt durch streicherschwirrendes Vogelgezwitscher (in einer Platane, die Staatsgründer Atatürk durch die titelgebende Aktion rettete).

Keine Avantgardisten, aber Neuerer der nationalen Musik waren die „Türkischen Fünf“. Unter ihnen arbeitete Cemal Reşit Rey mit reizvollen Kontrasten zwischen schwermütigem Melos und munterer Volkstümlichkeit, während Ulvi Cemal Erkin in einem Klavierquintett impressionistische Wurzeln erkennen ließ, die sich tsunamihaft zu vulkanisch-perkussiver Wucht und aufgebäumtem Trauermarsch steigerten. Was für inspirierende Musik!

Tosender Applaus von den überaus zahlreichen Klassikfans der türkischstämmigen Community im fast vollen Alfried-Krupp-Saal.