Essen. Stadt und Wirtschaftsförderung wehren sich gegen den Vorwurf, die Firma zu wenig unterstützt zu haben. Betriebsrat gibt sich derweil kämpferisch.
Ob im Kongo Kupfer abgebaut oder in Australien Lithium gewonnen wird – bei Epiroc fertigen sie dazu die erforderlichen Bohrgeräte und hydraulisches Baggerzubehör. Sie sind, wenn man so will, die Partner fürs Grobe, und entsprechend grob behandelt fühlt sich jetzt die Belegschaft, die von der Nachricht der Werksschließung am Montag kalt erwischt wurde. Man hätte das, glaubt Betriebsrats-Chef Christian Kreis, womöglich verhindern können, wenn sich die Stadt Essen mehr ins Zeug gelegt hätte. Doch die Wirtschaftsförderer widersprechen entschieden: „Im Rahmen unserer Möglichkeiten haben wir alles getan.“
Das versichert jedenfalls Essens oberster Wirtschaftsförderer Andre Boschem: „Alle haben Engagement und Gesicht gezeigt“, und dabei bezieht er ausdrücklich auch Oberbürgermeister Thomas Kufen mit ein, der zugleich von einer „bitteren“ Nachricht für die Stadt sprach: „Die Ausrichtung des Unternehmens passt ins Ruhrgebiet, passt nach Essen und profitiert in seinem Segment einerseits vom Know-how in der Region und bietet hier gleichzeitig qualitativ hochwertige Jobs.“ Er selbst habe das Unternehmen besucht und stehe ganz aktuell im Austausch.
Hätte sich Epiroc die Entscheidung abverhandeln lassen? „Nein, das sehen wir nicht so“
Davon, beklagt Betriebsrats-Chef Kreis, sei bis zur Belegschaft allerdings nichts durchgedrungen: „Wir haben weder etwas davon gehört noch gesehen.“ Aber hätte das am Ende irgendetwas genutzt?
Nein, glauben sie bei der Wirtschaftsförderungs-Gesellschaft EWG, denn beim Versuch, den Betrieb aus dem Krupp-Gürtel zu verlagern, der langfristig ja als Wohngebiet „Essen 51“ konzipiert ist, habe der schwedische Epiroc-Konzern von sich aus abgewinkt.
Nein, heißt es auf Anfrage auch von Epiroc selbst: „Der Hauptgrund für die Entscheidung besteht darin, dass Epiroc seine Wettbewerbsfähigkeit steigern und seine Produktionspräsenz in Europa festigen muss“, versichert Ola Kinnander, Sprecher der Firmenzentrale im schwedischen Nacka, wo man am Montag auch entschied, ein Werk im australischen Perth aufzugeben. Gab es eine Chance, die Essener Schließung zu verhindern, wenn die Stadt mehr Unterstützung angeboten hätte? „Nein, das sehen wir nicht so.“
Betriebsratschef kündigt harte Verhandlungen an: „Dafür müssen sie richtig bluten“
Was bleibt, ist der absehbare Abschied eines der letzten großen und traditionsreichen Industriebetriebe aus Essen, der schon unter der Fahne von Krupp und Atlas Copco firmierte. Bis Ende 2027 glaubte man die Jobs an der Helenenstraße sicher, weil erst dann der Pachtvertrag für den Standort ausläuft. Nun soll spätestens bis Ende 2025 Schluss sein, eine Nachricht, die „alles andere als gentlemanlike“ am Montagmorgen verkündet worden sei: „Den Schock müssen wir erstmal verdauen.“
Für die Arbeitnehmervertretung geht es jetzt weniger darum zu verhindern, was sich für sie kaum noch verhindern lässt, sondern aus dieser Schließung das Beste für die Belegschaft herauszuholen. „Der Betriebsrat wird es der Gruppe alles andere als leicht machen“, betont Christian Kreis. „Dafür müssen sie richtig bluten.“ Unklar ist, ob und wenn ja wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen Ersatz-Arbeitslatz im thüringischen Dermbach finden könnten, wo die Schweden noch ein Unternehmen für die Fertigung von Anbaufräsen unterhält. Vier Autostunden entfernt: für viele keine Alternative.
Alles in allem schätzt Epiroc die Kosten seiner Restrukturierung auf 155 Millionen Schwedische Kronen, das sind gut 13 Millionen Euro. Wie viel davon womöglich als Abfindung auf den Konten der Belegschaft landet, muss einstweilen offen bleiben. Der Prozess, so heißt es, befinde sich noch „in einem sehr frühen Stadium“.