Essen. In Rüttenscheid gehen die Wogen hoch, nachdem CDU und Grüne eine Politik der Autoverdrängung beschlossen. Eine Demo auf der Rü zog 200 Bürger an.
Demonstrationswetter war nicht gerade am Samstagmorgen, weshalb Organisator Ralph Cremer Sorge hatte, ob seine Demo gegen die Politik der Autoverdrängung auf der Rüttenscheider Straße wirklich zu einem Signal an die Ratsparteien werden würde oder eher eine Blamage. 200 Teilnehmer hatte er bei der Polizei angemeldet, und trotz des Regens kam diese Zahl tatsächlich zustande. „Ich bin sehr zufrieden“, bilanzierte der Inhaber einer Modeboutique. „Es war meine erste Demo, aber nicht meine letzte.“
Einmal die gesamte Rü rauf und runter und ein Schlenker um den Marktplatz – gehfaul waren die Bürger nicht, die Cremers Aufruf gefolgt waren. Viele liefen wohl überhaupt zum ersten Mal hinter einem Demo-Banner her und sind sich selbst für das bei Demos obligatorische Trillerpfeifen-Konzert nicht zu vornehm. „Viele Leute haben den Kaffee auf, weit mehr als die, die heute dabei waren“, skizziert Cremer aus seiner Sicht die Motivlage.
Das Meinungsbild der Bürger sei eindeutig, meint der Demo-Organisator
Klar dürfte sein: Das Milieu, das hier im Regen demonstriert, hat dazu in aller Regel auch an einem Samstag weder Zeit noch Lust. Wenn die Menschen es dennoch tun, muss sie etwas gewaltig stören. Das Meinungsbild der Kunden in seinem Laden und in denen anderer Einzelhändler sei eindeutig, unterstreicht Mode-Unternehmer Cremer. Deshalb tangiere ihn auch nicht besonders, wenn es Boykottaufrufe gegen sein Geschäft gebe. „Ich selbst halte politische Meinungen und Geschäftliches zwar auseinander, lasse mich aber nicht von denen abhalten, die meinen, sie sollten das vermischen.“
Die Reaktionen der Passanten auf dem Demo-Weg waren sehr unterschiedlich. Es gab viel Beifall und Bravo-Rufe, aber auch Missfallensbekundungen. „Unsere Rü – wenn ich sowas schon höre, kriege ich die Krise“, meinte eine Passantin zum Gatten. Tatsächlich ist der besitzanzeigende Schlachtruf der Einzelhändler – „Finger weg von unserer Rü!“ – ambitioniert, denn selbstverständlich gibt es auch Bürger, die die Autos am besten ganz weghaben möchten. Aufgeschnappter Dialog: „Worum geht’s denn bei der Demo?“ „Die Stadt will die Autos verdrängen.“ „Super!“ „Ne!“ „Doch!“
Würde die CDU jetzt noch wackeln, wäre die Ratskoalition am Ende
Ob die Proteste überhaupt noch etwas bringen, ist eine andere Frage. Obwohl viele in der CDU ganz und gar nicht überzeugt sind von der Sinnhaftigkeit der geplanten Abbiegezwänge, Auto-Sperren und der Einbahnstraße, ist man durch die Ratskoalition mit den Grünen gebunden. Gäbe es jetzt noch ein Wackeln, wäre Schwarz-Grün in Essen vermutlich am Ende, was vom OB angefangen kaum jemand in der CDU riskieren will. „Die Rü ist zwar eine wichtige Straße, aber so wichtig für die meisten Ratspolitiker dann doch nicht“, meint einer, der die Partei gut kennt.
„Es ist unerträglich, dass die CDU Politik für eine Koalition macht und nicht für die Bürger“, meint hingegen Ralph Cremer. Er ist felsenfest überzeugt, dass die Mehrheit der Essener kein Verständnis hat für Verkehrsexperimente, die die einzig gut funktionierende Einkaufs- und Gastronomiestraße der Stadt in Gefahr bringen würde.
Die Grünen ducken sich, anders als die CDU, am Demo-Tag nicht weg
Anders als die CDU, ducken sich die Essener Grünen an diesem Demo-Tag übrigens nicht weg. Am Rüttenscheider Stern haben sie einen Stand aufgebaut, Grünen-Ratsherr Stephan Neumann geht in den Clinch und diskutiert mit Passanten und, soweit möglich, auch mit den vorbeilaufenden Demonstranten. Die Grünen verstehen die ganze Aufregung nicht, schließlich sei weiterhin jeder Punkt der Rü mit dem Auto erreichbar, wenn auch vielleicht nicht mehr auf direktem Wege. Und die geplante Sperr-Zone am Stern, die freitags und samstags Abend gilt und die Rü beruhigen soll, hätten sie viel lieber dauerhaft etabliert. Da allerdings war die CDU eisern. Noch jedenfalls.