Essen/Mülheim. Die geplante Cannabis-Legalisierung ist aus Sicht der örtlichen Gewerkschaft der Polizei nicht zu Ende gedacht. Ihr Befund ist ernüchternd.
Es muss kein schlechtes Gras im Gebrauch sein, um die zuletzt 160 Seiten des Gesetzesentwurfs zur geplanten Cannabis-Legalisierung mit zunehmender Verwirrung zu konsumieren: Wer soll das Rauschgift-Rauchen unter Auflagen auf der Straße kontrollieren und wer die vielen denkbaren Verstöße außerhalb der absehbar rar gesäten Kifferzonen sanktionieren? Etwa Polizisten, die mit einem Unfallrädchen am Stiel oder einem dienstlichen Maßband kontrollieren, wo der 200-Meter-Verbotssektor rund um Kitas, Schulen oder Spielplätzen beginnt oder wo er endet?
Gehört zur Streifenwagenausrüstung künftig die Feinwaage, damit Beamte aufs zehntel Gramm genau nachmessen können, ob die erlaubte Mitführmenge von 25 Gramm eingehalten oder überschritten wird, um von der Überprüfung der korrekten Anzahl heimischer Eigengewächse besser ganz abzusehen?
Anfänglichem Schmunzeln folgte schnell der Dämpfer
All dies und noch viel mehr ging Jörg Brackmann, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) für Essen und Mülheim, durch den Kopf, als er den Bericht dieser Zeitung „Wo man in Essen bald kiffen darf“ las. Anfänglichem Schmunzeln bei der Vorstellung, dass künftig schwer harzende Kolonnen am Polizeipräsidium vorbeiziehen und selbst unter den Augen und Nasen der Staatsanwaltschaft vis-à-vis, opulente Joints rauchen könnten, folgte schnell der Dämpfer.
Berauschend erscheint das alles nicht: „Die Planung, und insbesondere die Umsetzung dieser Legalisierung erscheint noch nicht ausgereift. Aus unserer Sicht sollten viele Eckpunkte noch mal bis zum Ende gedacht werden“, appelliert Brackmann an den Geber des Gesetzes, dessen für den Freitag geplanter Beschluss kurzfristig verschoben wurde. Weder für die Beamten im Einsatz noch für den Bürger sei in dem Entwurf die erforderliche Rechtssicherheit erkennbar. Das gelte ebenso für den Cannabis-Konsum am Steuer.
Rückfälle in einen Rauschzustand sind ein Risiko
Da die Straßenverkehrsordnung trotz Ankündigung aus dem zuständigen Ministerium nicht angepasst worden ist, sei der Führerschein - Stand jetzt - auch nach einem vermeintlich legalen BTM-Konsum weiterhin akut in Gefahr, betont Brackmann: „Wer Cannabis zu sich nimmt und ein Kraftfahrzeug führen möchte, riskiert seine Fahrerlaubnis, unmittelbar danach, aber auch Tage später.“ Die wenigsten wüssten, dass sich das Kiffen nicht nur sofort nach dem Konsum auswirken könne, sondern dass so etwas wie verzögerte Rückfälle in einen Rauschzustand geben könne, warnt der GdP-Vorsitzende.
Für die Bürgerinnen und Bürger sieht die Gewerkschaft der Polizei deshalb das Risiko, „unbeabsichtigt die Rahmenbedingung der Legalisierung nicht richtig einschätzen zu können und plötzlich als Betroffene oder Beschuldigte in Verfahren zu gelten, obwohl sie der Meinung waren, alles richtig zu machen“. Die GdP appelliert vor diesem Hintergrund an alle Inhaber einer Fahrerlaubnis, zum eigenen und zum Schutz anderer nicht zu leichtfertig mit der Droge umzugehen.
Versprochene Entlastung wird ad absurdum geführt
„Es ist weiterhin eine Ordnungswidrigkeit mit der Konsequenz eines Fahrverbotes, ein Kraftfahrzeug unter dem Einfluss von THC (rauschauslösender Bestandteil der Hanfpflanze, Anm. d. Red.) in bestimmten Mengen im Blut zu führen, beziehungsweise bei drogenbedingter Ausfallerscheinung sogar eine Straftat“, macht Brackmann klar. 63 Verkehrsunfälle, für die Drogenkonsum als Ursache ausgemacht wurde, registrierte die Essener Polizei im vergangenen Jahr. Das waren 24 mehr als 2021.
Bessert der Gesetzgeber nicht nach, bleibt für den GdP-Vorsitzenden am Ende nur ein nüchterner Befund: Da die Behörde verpflichtet sei, Gesetzestreue zu kontrollieren, werde die versprochene Entlastung der Behörden durch eine Legalisierung von Cannabis unter den bislang bekannten Bedingungen ad absurdum geführt, so Brackmann. „Wir werden durch diese schwierigen und schwer umsetzbaren Regelungen unverhältnismäßig belastet und es wird unsere prekäre Personalsituation noch verschärft.“