Essen-Rüttenscheid. Der Essener André Sanders ist gefragt, wenn’s im Nacken knackt. Warum der Masseur aus Rüttenscheid vom Auto statt von einer Praxis aus arbeitet.

„Ich bin einer der letzten echten, klassischen, staatlich geprüften Masseure“, sagt der Essener André Sanders über sich selbst. Von der Veronikastraße in Rüttenscheid aus bietet er seit mehr als zwei Jahrzehnten seinen mobilen Muskelnotdienst an. Was in den Anfängen noch belächelt wurde, gehört bei vielen Unternehmen mittlerweile längst zum festen Gesundheitsangebot für Mitarbeiter. „Ich profitiere schon sehr davon, dass das Thema Work-Life-Balance immer wichtiger wird. Nach vielen harten Jahren spielt die Zeit jetzt einfach mal für mich“, sagt Sanders. Am Markt behaupten muss sich der 63-Jährige allerdings zusehends gegen Anbieter, die ihr Handwerk nicht wirklich gelernt haben.

„Masseur darf sich jeder nennen, und jeder darf sich so eine Liege kaufen, damit herumfahren und Massagen anbieten“, bringt Sanders eine der größten aktuellen Herausforderungen auf den Punkt – und schiebt gleich hinterher: „Hier geht es um eine Gesundheitsdienstleistung, um den eigenen Körper. Da kann viel schiefgehen, mit ernsthaften Konsequenzen. Deshalb ist es umso wichtiger, dass man wirklich schaut, was man kriegt. Jeder, der eine Massage beauftragt, sollte sicher sein, dass der Masseur seine Arbeit auch wirklich gelernt hat.“

Alles dabei: Massageöle, Massagestifte, Deuserstäbchen und ähnliches bringt Sanders im Masseurkoffer mit.
Alles dabei: Massageöle, Massagestifte, Deuserstäbchen und ähnliches bringt Sanders im Masseurkoffer mit. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Sanders selbst hat sich schon früh, „mit 17 Jahren und direkt nach der Schule“, für eine Ausbildung zum staatlich geprüften Masseur und medizinischen Bademeister entschieden, „verbunden auch mit der entsprechenden Prüfung“. Ein Berufsbild, das es in dieser Form seit den 1990er-Jahren nicht mehr gibt. „Damals wurden die zwei Berufe Masseur und Krankengymnast zum Physiotherapeuten zusammengelegt. Der kann auch massieren, macht es aber nicht hauptsächlich.“

Gesundheitspolitik hat viele Masseure in NRW die Existenz gekostet

Für Sanders folgte nach der Ausbildung und ersten Erfahrungen im Job mit 25 die eigene Praxis in Kevelaer – „klassisch, wie man das kennt, mit Massagen, Bädern, Packungen, Krankengymnastik, Fußpflege, Sonnenbank, Sauna und nach ein, zwei Jahren auch mit Angestellten“. Viel Verantwortung. Zu viel in schwierigen Zeiten: „Irgendwann haben unsere Gesundheitspolitiker angefangen, am laufenden Band die Spielregeln zu ändern. Und immer, wenn das Wort Kostendämpfungsgesetz fiel, gingen die Verschreibungen gen Null. Das hat für viele Masseure in NRW das Ende bedeutet.“

Bis 2002 hielt Sanders durch. Dann zog er in Sachen feste Praxis einen Schlussstrich und machte sich als mobiler Masseur selbstständig. „Erstmals konnte ich tatsächlich selbstständig und eigenverantwortlich arbeiten und war nicht mehr davon abhängig, dass ein Arzt ein Rezept ausstellt, auf dem er mir vorgibt, was ich zu tun habe, und die Krankenkassen bestimmen, wie lange ich dafür zu arbeiten habe, wie viel Geld ich für diese Arbeit bekomme und wie ich ausgestattet sein muss, um diese Arbeit machen zu können.“

Auch Evonik Goldschmidt ist Kunde des Essener Masseurs

Damals, erinnert er sich, sei das Geschäftskonzept oft belächelt worden. „Da kam oft die Frage, ob die Leute da quasi nackt im Büro liegen.“ Mittlerweile sei die Büromassage etabliert, bei kleinen Firmen ebenso wie bei großen Essener Unternehmen wie etwa Evonik Goldschmidt oder bei der DEVK. Stichwort: Wertschätzung. Oder eben: Work-Life-Balance.

Für Masseur André Sanders aus Essen-Rüttenscheid ist eine 15-minütige Büromassage eine „gesunde Alternative zur Raucherpause“.
Für Masseur André Sanders aus Essen-Rüttenscheid ist eine 15-minütige Büromassage eine „gesunde Alternative zur Raucherpause“. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

„Wenn mich ein Unternehmenschef fragt, warum er seinen Mitarbeitern solche Goodies bieten sollte, dann antworte ich: aus Eigennutz. Denn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich wohlfühlen, sind engagierter, zufriedener. Wenn jemand wegen Nacken- und Kopfschmerzen zum Arzt rennt und krankgeschrieben wird, ist das ein deutlich größerer Verlust.“ Etwa 15 Minuten dauert eine Büromassage, voll angezogen, auf einem speziellen Stuhl. „Eine gesunde Alternative zur Raucherpause.“

Einsatzgebiet: Essen und „die nähere Umgebung“

Sanders ist in Essen und „der näheren Umgebung“ unterwegs, weitere Weg lohnen sich kaum – gerade auch mit Blick auf die derzeitigen Spritkosten. Das Thema Homeoffice sieht der 63-Jährige daher gleich aus unterschiedlichen Gründen eher kritisch: „Im Büro haben die Menschen in der Regel einen ergonomischen Arbeitsplatz, da hat oft schon die Berufsgenossenschaft ein Auge drauf. Zuhause sitzen viele mit dem Laptop am Esstisch – und schon kriegen sie Probleme mit dem Nacken. Es macht für mich jedoch oft keinen Sinn, die Mitarbeiter zuhause zu besuchen, denn viele arbeiten ja nur in Essen, wohnen aber in Dortmund oder Duisburg. Ich bin also schon froh, dass viele Betriebe wieder auf Präsenz umschalten.“

Komplettes Massage-Angebot

André Sanders bietet ein umfangreiches Angebot an Massagen; nur die klassische Nackenmassage ist jedoch bürotauglich. Der Essener Masseur macht aber auch Hausbesuche.

www.muskelnotdienst.de

Zu Messen schnellt sein Umsatz ebenfalls in die Höhe. Manchmal auch dann, wenn Filmcrews in Essen unterwegs sind. „Ich habe gerade erst noch eine Schauspielerin massiert, die für einen Dreh stundenlang zusammengekrümmt in einem Kofferraum liegen musste.“

Noch denkt Sanders nicht ans Aufhören, auch wenn die Pandemiezeit alles andere als einfach war. „Doch so lange ich meinen Koffer und meine Liege noch tragen kann und meine Hände mitmachen, mache ich auch weiter. Denn es ist wichtig, dass die Menschen einfach auch mal was für sich tun, über ihren eigenen Körper nachdenken.“ Auch am Arbeitsplatz.

[Essen-Newsletter hier gratis abonnieren | Auf einen Blick: Polizei- und Feuerwehr-Artikel + Innenstadt-Schwerpunkt + Rot-Weiss Essen + Lokalsport | Nachrichten aus: Süd + Rüttenscheid + Nord + Ost + Kettwig & Werden + Borbeck & West | Alle Artikel aus Essen]