Essen. Im Wettstreit um Fachkräfte müssen sich Unternehmen zunehmend bei Arbeitnehmern anpreisen. So reagieren Unternehmen in Essen darauf.
Ist das nun gut oder schlecht: Fehlt ihnen der Mumm, auf eine Karriere als Chef hin zu arbeiten? Oder haben wir es mit einem deutlich umsichtigeren Nachwuchs zu tun, jungen Leuten, die nur lautstark einfordern, was viele gerne hätten, sich nur nie zu fordern trauten: ein erfülltes Leben neben der Arbeit?
Die Prioritäten haben sich verschoben. Das bestätigen nicht nur Personalvorstände von Dax-Konzernen, Geschäftsführer und wissenschaftliche Studien, sondern auch der Essener Unternehmensverband. Karriere um jeden Preis ist für viele 18- bis 29-Jährige (die so genannte Generation Z) nicht die oberste Prämisse. Die Arbeit steht nicht an erster Stelle; Freizeit, Hobbys, Familie und Freunde holen auf.
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Eine ausgeglichene Work-Life-Balance ist jedem zweiten Arbeitnehmer wichtig, belegen Studien. Tendenz: steigend. „Wir können das bestätigen. Der Paradigmenwechsel in der Arbeitswelt ist real. Ursachen sind nach unserer Wahrnehmung: der Fachkräftemangel und die veränderten Wertvorstellungen gerade der jungen Berufsbewerber“, sagt Ulrich Kanders, Hauptgeschäftsführer des Essener Unternehmensverbandes e.V..
Frage nach Überstunden im Vorstellungsgespräch
Zu spüren sei dieser Wandel bereits im Vorstellungsgespräch, wo junge Bewerber den Personaler fragten, ob im Unternehmen Überstunden geleistet werden müssten und dies auch für Azubis gelte. Und falls ja, wie mit diesen umgegangen wird – Freizeitausgleich oder Auszahlung etwa? „Diese Frage war früher undenkbar“, so Kanders.
Mitunter entstehe gar der Eindruck, dass Berufseinsteiger einen „tollen Job mit einer erfüllenden Tätigkeit suchen, der überdurchschnittlich bezahlt wird, aber nicht überdurchschnittlichen Arbeitseinsatz erfordert“, resümiert Kanders: „Die Vorstellung junger Leute vom Arbeitsleben entfernen sich unseren Erfahrungen nach immer weiter von der Realität. Dies mag sicher auch daran liegen, dass diese Generation nicht mehr ausschließlich von Vater, Mutter, Onkel und Tante über den Berufsalltag informiert werden, sondern durch Social Media doch die eine oder andere geschönte Version eines solchen erleben.“
Essener Unternehmen werben bei Bewerbern für sich
Da die Bewerber außerdem oftmals wegen des Fachkräftemangels die Wahl zwischen mehreren Angeboten haben, müssen sich Unternehmen inzwischen mehr einfallen lassen, um bei den Bewerbern zu punkten.
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Extras wie die Bereitstellung eines Firmenwagens, die Finanzierung eines dualen Studiums an der FOM Hochschule, das Stellen eines Jobbikes oder die Übernahme einer privaten Krankenversicherung, gehören seit einigen Jahren für viele Firmen schon zu den neuen Standards.
„Darüber hinaus hat bei den Firmen ein Umdenken bei der Rekrutierung dieser Zielgruppe stattgefunden. Die klassische Stellenausschreibung auf der Firmenhomepage oder auf gängigen Jobbörsen ist nicht mehr der Königsweg. Die Unternehmen werben inzwischen mit Imagefilmen auf Youtube, Snapchat oder Instagram für sich. Ganz innovative Arbeitgeber stellen ihren Bewerbern „digitale challenges“ und suchen sich dann unter den pfiffigsten Einsendungen ihren Favoriten aus. Der Kontakt laufe dann oftmals nicht mehr über E-Mail, sondern per Whatsapp. „In einigen Vorstellungsgesprächen wird sogar direkt geduzt, um eine lockere Atmosphäre zu schaffen“, weiß Kanders aus seiner Erfahrung als Hauptgeschäftsführer des Essener Unternehmensverband zu berichten.