Essen. Die Harfid-Pleite in Essen trifft auch Anleger hart. Sie träumten von Ferienwohnungen an der Nordsee, jetzt sind offenbar 1,6 Millionen Euro weg.

Die Anleger träumten von schicken Ferienwohnungen nur wenige Schritte entfernt von der Nordseeküste: zum Vermieten oder auch um sie selbst zu nutzen. Die Harfid Cuxhaven GmbH, eine Tochtergesellschaft der insolventen Harfid Holding in Essen, wollte die Ferienwohnanlage mit 20 Wohnungen im Ortsteil Döse binnen zwei Jahren bis Ende 2021 hochziehen. Doch daraus wird wohl nichts: „Be Add 53° Nord“ nennt sich das Projekt, das für die Anleger vorerst mit einem bösen Alptraum enden sollte. Denn die rund 1,6 Millionen Euro, die sie im Vertrauen auf die Seriosität des Essener Bauträgers angezahlt haben, können sie offenbar abschreiben. „Das Geld ist wohl futsch“, sagt einer der verbitterten Anleger, der anonym bleiben will, dieser Zeitung.

Geplatzte Träume: Anleger schauen in eine Baugrube voller Wasser

Er legt ein Foto vor, das das ganze Fiasko schlagartig verdeutlicht. Es zeigt eine große Baugrube, die bis zum Rand mit Wasser gefüllt ist. Man sieht einen blauen Container, einen orangefarbenen Betonsilo für den Baukran, Spundwände und einen hölzernen Bauzaun. Kurzum: Tristesse pur.

Im Werbetext auf der längst erloschenen Harfid-Homepage hieß es dagegen noch vollmundig: „In ruhiger, aber doch zentraler Lage in Cuxhaven entsteht, eingebettet in einen harmonisch gestalteten Gartenbereich, die Ferienwohnanlage BE ADD 53° NORD.“ Die Zahl 53 bezieht sich auf den 53. Breitengrad. Direkt daneben entsteht noch eine weitere Ferienwohnanlage der Harfid Cuxhaven GmbH: das Objekt „Noordsee Gaarden“.

Die Gesamtwohnfläche der „Be Add 53“-Ferienwohnanlage beträgt rund 1500 Quadratmeter, wobei der Quadratmeterpreis mit durchschnittlich 3.980 Euro beziffert wird. Zusammen mit 13 Garagenplätzen und vier Außenparkplätzen beläuft sich der Preis für den Komplex aus 20 Wohnungen auf fast 6,4 Millionen Euro. Die vertraglichen Abmachungen mit den 20 Wohnungskäufern sehen vor, dass sie mit Beginn der Bauarbeiten 25 Prozent der Bausumme als Anzahlung hinzublättern hatten. Das seien rund 1,6 Millionen Euro gewesen. Ein Betrag, der vor drei Jahren auch pünktlich auf das Konto der Harfid Cuxhaven GmbH eingezahlt worden ist.

„Briefe mit Vertröstungen kamen etwa alle zwei Monate mit fadenscheinigen Argumenten“

„Im Oktober 2020 ist mit den Erdarbeiten begonnen worden, die Harfid-Leute haben die Anzahlung kassiert, aber die Erdarbeiten nur teilweise ausgeführt und danach lange unterbrochen“, berichtet der Anleger. Während der Wasserpegel in der Baugrube stetig anstieg, flatterte den Anlegern regelmäßig Post von Harfid ins Haus. „Briefe mit Vertröstungen kamen etwa alle zwei Monate mit fadenscheinigen Argumenten“, fügt der Anleger hinzu. Erst im März 2022 war die Baugrube komplett ausgehoben, aber nach Einbau einer so genannten Sauberkeitsschicht wurden die Arbeiten komplett eingestellt.

Er selbst habe gut 100.000 Euro in die Wohnung am 53. Breitengrad investiert. Wie sich jetzt herausstellt, für nichts. Neben einer stattlichen Anzahlung von mehr als 75.000 Euro waren auch noch mehr als 25.000 Euro für den Anwalt, den Notar und die Grunderwerbssteuer fällig.

Von den rund 1,6 Millionen Euro, die eigentlich auf dem Konto der Harfid Cuxhaven GmbH liegen sollten, fehlt offenbar jede Spur. Die 20 Anleger im Ferienhaus-Komplex „Be Add 53° Nord“ stellen sich seit geraumer Zeit die Frage, wo die 1,6 Millionen Euro geblieben sind, die sie vorgestreckt haben. Eine Antwort haben sie darauf bislang nicht erhalten. Deshalb vermutet der Anleger: „Die überschuldeten Harfid-Leute in Essen haben unsere 1,6 Millionen Euro einfach genommen, um Löcher anderswo zu stopfen.“

Hat Harfid mit dem Geld der Anleger anderswo Löcher gestopft?

Weil zum Harfid-Imperium mehr als 20 solcher Projektgesellschaften gehörten, hegen die Cuxhavener Anleger den Verdacht, dass diese Form des „Löcherstopfens“ angesichts des drohenden Konkurses System hatte.

Offenbar war Harfid schon 2019 in finanzielle Schwierigkeiten geraten – also vor Ausbruch der Corona-Pandemie und vor Beginn des Krieges in der Ukraine, den Harfid offiziell für die Schieflage des Unternehmens verantwortlich gemacht hat.

Dieser Redaktion liegt eine vertrauliche E-Mail vor, in der Firmeninhaber Harfid Hadrovic gegenüber Mitarbeitern schon vor drei Jahren Alarm schlägt. So rechnet er ihnen vor, dass der Umsatz 2018 und 2019 bei 150 Millionen Euro gelegen habe. Statt des geplanten Gewinns von 15 Millionen Euro habe man hingegen ein Minus von 7 Millionen Euro erwirtschaftet. Wörtlich heißt es in Hadrovics Rundschreiben: „Das bedeutet, dass wir es in nur zwei Jahren zusammen geschafft haben, 22 Millionen Euro zu verbrennen, somit auch unser gesamtes Kapital.“ Trotz dieser Hiobsbotschaft hielt Hadrovic eine positive Entwicklung in den darauffolgenden Jahren ausdrücklich für möglich.

E-Mail von Harfid-Chef: Wir haben in nur zwei Jahren 22 Millionen Euro verbrannt

Zurück nach Cuxhaven-Döse: Die dortige Stadtsparkasse, die die Finanzierung des Neubauprojekts übernommen hat, soll dem Vernehmen nach inzwischen die Insolvenz der Harfid Cuxhaven GmbH beantragt haben. Es hatte offenbar immer wieder Gespräche zwischen der Bank und Harfid gegeben. Weil Zahlungsziele jedoch verstrichen, seien die Vereinbarungen gescheitert. Die Harfid Cuxhaven GmbH hat ihren Sitz inzwischen von der Lindenallee in Essen nach Düsseldorf verlegt.

Die Stadtsparkasse Cuxhaven wollte sich auf Anfrage nicht zu dem angeblichen Insolvenzantrag mit Datum 2. März 2023 äußern – mit Hinweis auf die Wahrung des Bankgeheimnisses, hieß es.

Den geprellten Anlegern bleibt vorerst wohl nichts anderes übrig, als Harfid auf Zahlung von Schadenersatz oder Rückabwicklung zu verklagen – ein Schachzug mit höchst ungewissem Ausgang.

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