Essen-Rüttenscheid. Der Essener Clubbesitzer Kay Shanghai zeigt sich als einer der wenigen deutschen Rapper offen schwul. Wie sich das in seinen Texten spiegelt.
Kay Shanghai spielt mit der Provokation. Seine Hörerinnen und Hörer dürfen wissen, dass er seit der Schulzeit auf Männer steht, schwul ist. In anderen Songs wird deutlich, dass er sexuell so aktiv wie experimentierfreudig ist – so deutlich wie er das singt, können wir es hier nicht schreiben.
Der Essener Clubbesitzer ist einer der wenigen, wenn nicht gar der erste offen schwule Rapper in Deutschland. Seine Sexualität thematisiert er in seinen Songs. Nun tritt er am 1. Juli beim „Projekt Rüttenscheid“, der Neuauflage des Rü-Festes, auf.
2021 veröffentlichte Kay Shanghai sein Debütalbum „Haram“, produziert von Voddi257, dem Hauptproduzenten der 257ers, ihrem Produzenten Barsky und dem schon lange in der Essener Hip-Hop-Szene aktiven Dein Junge STV. „Haram“, das steht im Islam für alles, was verboten, ein Tabu ist. Mit dem Begriff, der auf so manchem deutschen Schulhof schon in den Sprachgebrauch übergangen ist, spielt der Rapper. „Freunde mit Migrationsgeschichte haben oft aus Spaß zu mir gesagt: Was du da machst, ist haram“, erklärt er den Hintergrund. „Kurze Tage, lange Nächte, nie zu Hause, ständig Party, haram“, so greift er im Refrain Vorurteile auf, verbunden mit dem Aufruf: „Lass sie reden, verdammt“.
Essener Clubbesitzer rappte im Studio zum ersten Mal
Das Album entstand während der Corona-Pandemie. Im Hip-Hop-Geschäft war Kay Shanghai zu diesem Zeitpunkt komplett neu, im Studio hat er zum ersten Mal überhaupt gerappt. „Holterdiepolter“ sei das gegangen, und dann lag auf einmal der Vertrag mit einem großen Label auf dem Tisch. „Für mich war es krass, dass sich die Leute so dafür interessiert haben und die Kritiken so gut waren“, sagt er rückblickend.
Mit dem Sänger Dagobert ging Kay Shanghai dann auf große Tour. „Das war eine einschneidende Erfahrung“, erinnert er sich. Bühnenerfahrung hatte er am Theater gesammelt, doch die Auftritte und das ganze Leben in der „Band-Bubble“, das sei noch einmal etwas ganz anderes gewesen. „Es war das Allergeilste.“
Kay Shanghai: „Manchmal kommt mit das Ganze vor wie ein Lausbubenstreich“
In einer Szene, die häufig als schwulen- und frauenfeindlich gilt, sind Kay Shanghais offen queere Texte einzigartig. Während andere Hip-Hop-Künstler in ihren Texten ganz konkret erläutern, was sie mit den Müttern ihrer Kontrahenten anstellen möchten, rappt Kay Shanghai über das Tête-à-Tête mit einem anderen Mann: „Wo gerade noch Kuscheltiere waren, da liegst jetzt du in meinem Bett, spür’ deine Hand an meinem Hals und weiß, du meinst es ernst mit hartem Sex“.
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Provozieren wolle er mit seinen expliziten Texten eigentlich nicht, betont der Clubbesitzer. Die jungen Leute redeten eben so, das sei sein Umfeld, die Realität. „Die Wörter selbst sind nicht schlimm“, sagt Shanghai. Schlimm sei der queer- oder frauenfeindliche Zusammenhang, in dem sie oft benutzt würden. Doch trotz allem: Manchmal komme ihm das Ganze vor „wie ein Lausbubenstreich“. Weil er schon beim Texteschreiben wisse, dass sich die Leute aufregen werden.
Essener Club „Hotel Shanghai“ öffnete sich für Rap-Szene
Auftritt beim „Projekt Rüttenscheid“
Beim „Projekt Rüttenscheid“ wird Kay Shanghai Songs von seinem Album „Haram“ spielen. Sein Auftritt ist etwa für 14.45 Uhr am Samstag (1. Juli) geplant.
Außerdem war er gerade wieder im Studio, um einen neuen Song aufzunehmen. Seine nächste Single soll „Kleines Rave-Mädchen“ heißen, im August erscheinen und ebenfalls auf dem neuen Rü-Fest gespielt werden.
Am gleichen Abend (1. Juli) ab 23 Uhr wird der Sänger Clueso im Hotel Shanghai (Steeler Straße 33) ein DJ-Set performen. Ein kleines Kontingent an Tickets ist noch an der Abendkasse erhältlich.
Sein Essener Club „Hotel Shanghai“ beherbergt normalerweise eine andere Szene, viele Elektropartys finden hier statt. Doch in den vergangenen zehn bis 15 Jahren habe man sich auch für die Rap-Szene geöffnet und damit Künstlern wie RIN oder Yung Hurn eine Bühne gegeben, deren Texte nicht vornehmlich von teuren Autos und nackten Frauen handeln. „Die Zeiten haben sich geändert“, sagt Shanghai. „Gerade bei den aktuell erfolgreichen Trap-Rappern spielt toxische Maskulinität nicht mehr eine so eine Rolle wie im 2000er-Rap.“
Shanghai selbst sind schwulenfeindliche Erfahrungen nicht fremd. „Wer von euch ist denn der Mann und wer die Frau?“, habe man ihm schon hinterher gerufen, wenn er mit seinem Freund über die Straße gelaufen sei: „Man fragt sich ja bei Essstäbchen auch nicht, welches der beiden Stäbchen das Messer und welches die Gabel ist.“ Wie er mit Vorurteilen und Hass, ob online oder offline, umgeht? „Auf Kommentare im Netz gehe ich gar nicht ein“, sagt Shanghai. Immer wieder überrasche es ihn aber, wenn Menschen auch im realen Leben mit einer genauso vorgefertigten Meinung vor ihm stünden.
„Muss er denn als Schwuler unbedingt rappen?“ oder „Das macht er nur, um Aufmerksamkeit zu kriegen“ seien nur einige der Bemerkungen, die er schon zu hören bekommen habe. „Vielleicht ist es aber auch normal, dass manche Menschen bei meinem Rap an ihre Grenzen stoßen“, vermutet Shanghai. Das sage mehr über die Menschen aus als über ihn. Und vielleicht mache die Musik doch etwas mit ihnen, vielleicht könne er ihnen doch unbewusst einen toleranten Gedanken in den Kopf setzen, „wie ein trojanisches Pferd“.