Essen-Westviertel. Pflege-Influencer Metin Dogru gibt auf Social Media Einblicke in seinen Berufsalltag. Dabei schlüpft er in die Rolle von „Schwester Rabiata“.

Als das Leben während der Corona-Pandemie aus nicht viel mehr als Arbeit und Einsamkeit bestand, hat Metin Dogru beschlossen, seine Arbeit als Krankenpfleger auf Instagram und TikTok zu dokumentieren. Seitdem steht er in kurzen Videos im Mittelpunkt, verkleidet sich aber auch als Schwester Rabiata: „Die lässt sich nichts gefallen“ und als Schwester Uschi: „Sie ist die gute Seele“. Mit seinen Beiträgen trifft der 26-jährige Essener einen Nerv. Mittlerweile folgen ihm rund 600.000 Menschen in den sozialen Netzwerken.

Metin Dogru will einerseits auf Probleme aufmerksam machen und andererseits unterhalten. Jetzt ist er ein Sprachrohr für die Pflege geworden und bringt im Herbst sein erstes eigenes Buch heraus. Hier berichtet er in seinen eigenen Worten von seiner Arbeit als Pfleger und Influencer.

Krankenpfleger vermisst Wertschätzung seitens der Klinikleitung

„Ich arbeite bei einer Zeitarbeitsfirma und werde in verschiedenen Krankenhäusern eingesetzt. Dadurch weiß ich, dass es überall die gleichen Probleme gibt.“ Von den Klinikleitungen gebe es oft wenig Wertschätzung. „Hauptsache, man meldet sich nicht krank, springt oft ein und ist belastbar.“ Menschlichkeit ausschalten und Einnahmen generieren sei quasi schon Dienstanweisung – wenn auch keine offizielle. Der Faktor Empathie interessiere kaum.

„Ich hoffe, dass niemals jemand aus meiner Familie einen längeren Krankenhausaufenthalt erleben muss. Ich weiß ja wie es läuft, und deswegen hätte ich Angst, dass er die falschen oder keine Medikamente bekommt, auf der falschen Station landet, nicht richtig versorgt wird und nicht der Mensch, sondern der Profit im Vordergrund steht.“

Metin Dogru fordert „Mutti-Dienste“ in Krankenhäusern

Die Politik müsse eigentlich dafür sorgen, dass mit der Gesundheit der Menschen kein Geld gemacht wird, so Dogru weiter. „Es müsste einen guten Personalschlüssel geben, der nicht überreizt werden darf.“ Ein Flugzeug fliege schließlich auch nicht ohne Stewardess, demnach dürften auch nicht immer mehr Patienten aufgenommen werden, wenn auf einer Station zu wenige Pflegekräfte im Einsatz sind. „Eigentlich steht man immer mit einem Bein im Gefängnis. Wenn man beispielsweise in all dem Stress die Medikamente vertauscht oder falsch dosiert, kann das fatale Folgen haben.“

Ein weiteres Problem seien die Arbeitszeiten. Sogenannte Mutti-Dienste gebe es viel zu selten. „Diese Dienste sind so strukturiert, dass Mütter den Alltag ihrer Kinder mit dem ihrer Arbeit vereinbaren können. Gut wäre, wenn sich Pflegekräfte aussuchen könnten, welche Schichten sie besetzen wollen und welche nicht. Das kann ich, weil ich bei einer Zeitarbeitsfirma arbeite, als Angestellter in der Klinik geht das aber nicht oft.“

Essener Pflege-Influencer weinend auf der Klinik-Toilette

Stattdessen arbeiteten manche Pflegekräfte zwölf Tage am Stück, bevor sie einen Tag frei haben. „Ich hatte das auch während meiner Ausbildung. Da fühlt man sich wie ein Zombie und landet im Burnout.“ Außerdem passiere es, dass man abends an seiner eigenen Haustür oder der Kühlschranktür anklopft, als wäre es ein Patientenzimmer. „Das hat wohl schon jede Pflegekraft erlebt.“

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Es komme aber auch vor, dass man heulend auf dem Krankenhaus-Klo sitzt. „Ich selbst habe schon oft geweint, weil ich es manchmal so stressig und ungerecht finde. Weil ich das Gefühl habe, im Stich gelassen zu werden. Zum Glück gibt es in jedem Krankenhaus eine Schwester Uschi. Die findet man auch in meinen Videos. Sie ist die gute Seele, die einen in den Arm nimmt und sagt: ,Alles wird gut’.“

Als Schwester Rabiata erzählt der Pflege-Influencer Metin Dogru aus seinem Arbeitsalltag.
Als Schwester Rabiata erzählt der Pflege-Influencer Metin Dogru aus seinem Arbeitsalltag. © Unbekannt | Dogru

Allerdings gebe es überall auch den Typus Schwester Rabiata. „Ich liebe es, wenn ich diesen Charakter in meinen Videos spiele, dafür habe ich extra eine Perücke. Sie ist die, die sich nichts gefallen lässt, mehr weiß als die Assistenzärzte und uns Pflegekräften das Leben schwer macht.“ Dieser Typus sei sehr schroff und gehe auch so mit den Patienten um. „Eigentlich hat sie immer schlechte Laune. Meine Follower lieben sie.“

Zeit für Patienten in den Nachtschichten

„Das waren jetzt aber nur die schlechten Seiten. Mein Beruf ist auch superinteressant und es gibt auch viele schöne und lustige Momente, die zeige ich in meinen Videos ja auch“, sagt der Influencer. „Was ich mag, ist, dass ich in jeder Situation für die Menschen da bin; bei der Geburt, beim Tod und auch, wenn sie eine krasse Diagnose bekommen.“

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Es sei schön, zu wissen, dass die Menschen dann nicht alleine sind. „Sie geben einem sehr viel zurück, sind dankbar und freuen sich, wenn man im Dienst ist. Besonders gerne arbeite ich mit Kindern zusammen. Die sind so lebensfroh, obwohl manche von ihnen wissen, dass sie bald sterben.“

Er übernehme auch gerne die Nachtschichten. „Da kann man sich mehr Zeit für die Patienten nehmen, denen es nicht gut geht, das mag ich.“ Außerdem habe man nicht den Stress mit Visiten, Therapien und Operationen.

„Eigentlich will ich mit meinen Videos die Realität abbilden, Pflegeschüler auf den Beruf vorbereiten und anderen zeigen, dass sie nicht alleine sind. Ich habe das Gefühl, wenn sich Pflegeschüler und -kräfte verstanden fühlen, kommen sie auch besser mit ihrer Arbeit zurecht.“

Buch erscheint im Oktober

In seinem ersten Buch erzählt Metin Dogru von einem Berufsalltag zwischen Hoffnung und Verzweiflung, von berührenden Schicksalen und komischen Momenten. Die Geschichten sollen Missstände aufzeigen, aber auch abbilden, warum der Essener seinen Beruf liebt. „Ich habe aufgeschrieben, wie mein Alltag aussieht, was man verändern müsste und wie sich mein Beruf mit den sozialen Medien vereinen lässt.“ Das Buch sei eine Mischung aus unterhaltsamen, fachlichen und sachlichen Aspekten. „Pflegers Diary: Der beste Job der Welt – und warum er mich in den Wahnsinn treibt“ erscheint am 17. Oktober 2023. Das Buch umfasst 224 Seiten, kostet 16 Euro und kann vorbestellt werden. In den sozialen Netzwerken ist der Essener unter @metinlevindogru aktiv.