Essen-Freisenbruch. Knapp sieben statt der ursprünglich geplanten 1,4 Millionen Euro: Kritik an Sanierung im Essener Bürgerhaus Oststadt hält an. Die Gründe.
Die Sanierung im Bürgerhaus läuft laut Stadt auf Hochtouren. Es geht nicht sichtbar voran, lautet hingegen die Kritik aus der Politik. Immerhin verschiebt sich der Wiedereröffnungstermin ein weiteres Mal. Gleichzeitig trifft Vandalismus sogar bereits sanierte Teile des denkmalgeschützten Baus immer wieder – trotz Kameraüberwachung.
Auf der Rückseite des Gebäudes sind Fenster eingeschmissen, Wände beschmiert. Die Kameras in dem Bereich haben zumindest diese Täter so wenig abschrecken können wie die hohen Bauzäune. Vorn steht die Tür offen am Bürgerhaus Oststadt, hinein dürfen derzeit allerdings lediglich Handwerker. Von den Arbeiten und dem Fortschritt dieser merken Betroffene allerdings wenig, das finden nicht nur die SPD-Ratsfrauen Barbara Soloch (Freisenbruch) und Michaela Heuser (Horst).
Wöchentlich trafen sich allein bis zu 100 Senioren und Seniorinnen beim Awo-Club
Dabei werde dieser beliebte und sozialen Treff so dringend gebraucht, leben doch hier in den Hochhaussiedlungen Bergmanns- und Hörsterfeld zahlreiche Familien verschiedener Nationalitäten. Für sie gab es am Schultenweg stets eine Anlaufstelle, gab es Buchausleihe, Frühstück, Hilfe und soziale Kontakte sowie ein offenes Ohr für all die kleinen und großen Themen im Alltag. In dem Haus befand sich der Kleiderladen mit gebrauchten Textilien, trafen sich wöchentlich bis zu 100 Senioren und Seniorinnen beim Awo-Club im großen Saal, bot die MTG Horst einige Sportkurse an.
Mitarbeiterinnen wie Maryam Alizadeh von der Stadtteilbibliothek hielten regelmäßigen Kontakt zur Ersamusschule und den Kindern, die zu Hause noch nie ein Buch in der Hand gehalten hatten und in der Einrichtung auch sprachlich gefördert wurden. Die Bibliothek ist nun für die Zeit der Sanierung nach Kray gezogen und die Leiterin besucht die Schule, so oft sie kann. „Unterm Strich aber geht uns hier eine ganze Grundschulgeneration verloren“, klagt Michaela Heuser mit Blick auf die Zeit, in der das Haus während der Sanierung geschlossen bleibt, in der Mädchen und Jungen nicht erreicht würden.
In Containern werden einige Gruppentreffen in Essen-Freisenbruch angeboten
„Hier passiert nichts, die Anlaufstelle ist tot“, fasst sie mit Blick auf das Haus zusammen, in dem sonst so viel Leben stattfindet. Gestorben seien inzwischen auch manche Besucher und Besucherinne des Awo-Clubs. Der hatte eine Bleibe für den Übergang im Kleingartenverein gefunden. „Da gibt es aber nicht annähernd so viel Platz zum Tanzen wie im großen Saal des Bürgerhauses“, sagt Barbara Soloch. Daher brechen auch diese Gemeinschaften auseinander. Die Awo sei hier lediglich ein Beispiel für Angebote, die mitunter wieder neu aufgebaut werden müssten.
Vor Ort in den eigens dafür aufgestellten Containern finden derweil Spielgruppen und Treffen für Jugendliche statt. „Man versucht, etwas abzufangen, aber die Lage bleibt schwierig“, sagt Michaela Heuser und weiß auch, dass die Kosten weiterhin steigen. Von bis zu sieben Millionen Euro soll zuletzt ausgegangen worden seien.
Dabei lagen die Baukosten anfangs bei 1,4 Millionen Euro. Dann machte den finanziellen Plänen der Denkmalschutz einen Strich durch die Rechnung, die Kosten stiegen bereits auf 3,3 Millionen Euro. Zuletzt waren es dann vier Millionen Euro. „Durch die zusätzlichen Arbeiten, besonders in der Elektroinstallation und die stetig steigenden Baupreise sind der Umfang der Arbeiten und die voraussichtlichen Baukosten noch einmal gestiegen“, bestätigt die Stadtsprecherin. Die aktualisierten Kosten würden derzeit zusammengestellt und dem Rat voraussichtlich im Juni 2023 vorgelegt. Die Kostenschätzung für die Sanierung beläuft sich voraussichtlich auf knapp unter sieben Millionen Euro. Die Prüfung der Kostenschätzung durch das Rechnungsprüfungsamt stehe noch aus.
Sanierung im Kufo in Essen-Steele soll besser gelaufen sein
An der Dringlichkeit der Sanierung zweifeln die Ratsfrauen nicht, an der Ausführung indes üben sie mitunter heftige Kritik. „Es hapert hier, während am Kulturforum in Steele das Baugerüst schon abgebaut worden ist“, zieht Barbara Soloch einen Vergleich zu einer weiteren Sanierung im Bezirk. Auch bei dieser habe es Schwierigkeiten gegeben, die im Laufe der Arbeiten aufgetaucht seien. Die seien aber offenbar besser gelöst worden. Und der Architekt habe die Betroffenen besser „mitgenommen“, indem er selbst Laien die Probleme ganz offen und nachvollziehbar erläutert habe Die Verantwortlichen hätten schnell reagiert und „das auf die Reihe gekriegt“.
Warum habe man diese Baustelle besser in den Griff bekommen, lautet daher eine Frage der Politikerinnen. Auch im Bürgerhaus schaue doch die Bauleitung den Gewerken sicherlich auf die Finger. „Da muss man doch Probleme umgehend ins Rathaus weitergeben“, sagt Barbara Soloch. So aber bekomme man den Eindruck, im Bürgerhaus tue sich nichts. „Das Vertrösten geht uns langsam wirklich auf die Nerven“, sagt sie. Dabei habe doch die Stadt vor Beginn der Baumaßnahme regelmäßige Info-Veranstaltungen angekündigt, um die Nutzer und Nutzerinnen einzubinden.
Als Sanierung in Essen-Freisenbruch startete, war Wiedereröffnung Anfang 2021 geplant
Das sei kaum erfolgt, „stattdessen müssen wir alles einfordern“, beschreibt Michaela Heuser, die sich gewünscht hätte, dass alle Beteiligten wie geplant, regelmäßig von Baufortschritt und Problemen erfahren hätten. Sie stünden durchaus in regelmäßigem Kontakt mit den Vertretern und Vertreterinnen und Nutzern wie Nutzerinnen des Bürgerhauses, die das Gebäude so früh wie möglich wieder beziehen wollen. Ein konkreter Fertigstellungstermin könne noch nicht genannt werden.
Als die Sanierung startete, war die Rede von einer Wiedereröffnung Anfang 2021. Die Außenanlagen werden laut Stadt im Anschluss an die Sanierung des Gebäudes in einem zweiten Schritt mit einem Paket umfangreicher Maßnahmen saniert. Die Inbetriebnahme des Bürgerhauses jedoch werde – nach Fertigstellung der Arbeiten im Gebäude - vorab erfolgen können.
„Aktuell wird davon ausgegangen, dass die Eröffnung des Bürgerhauses Oststadt im 1. Quartal 2024 stattfinden wird“, sagt Jacqueline Riedel und bestätigt damit die Befürchtungen, dass das Bürgerhaus seine Türen in diesem Jahr wohl nicht mehr öffnen wird.
Weitere Verzögerungen nicht ausgeschlossen
Auf Nachfrage sagt Stadtsprecherin Jacqueline Riedel: Die Elektroverkabelung sei eingebracht, die Unterkonstruktion der aufwendig geschwungenen Holzdecke sei montiert. „Derzeit laufen letzte Brandschutzschottungen an Decken- und Wanddurchführungen. Damit werden die früheren Schwachstellen des Bestandsgebäudes in diesem Bereich abgestellt“, erklärt sie zum Stand der Arbeiten, die bereits im Frühjahr 2020 begonnen haben.
Nach der Schadstoffsanierung und dem Ausbau der alten Holzdecke im Sommer 2020 sei eine komplette Neuplanung der Elektroverkabelung notwendig geworden. Hinzu seien zudem unsachgemäßer Umgang mit Schadstoffen sowie Lieferprobleme besonders im Bereich der neuen Holzdecke gekommen, sagt die Sprecherin zu den Hürden bei der Sanierung. Das führte zum Baustopp, zu Verzögerungen sowie zu mehreren Ausschreibungsanläufen. Schließlich sei der Auftrag für die Holzdecke dann im vergangenen Jahr vergeben worden.
Erhebliche Probleme bei den Elektro-Unterverteilungen
Etwa 70 Prozent der Fliesenarbeiten in den Sanitärbereichen und der Saalküche seien nun fertig gestellt: „Das neue Oberlichtband über der großen Halle wurde eingebaut; es verbindet die denkmalrechtliche Optik der schlichten Drahtglasfenster mit den aktuellen Anforderungen an Wärmeschutz, Lüftung und Brandschutz.“
Ebenso seien die alten Glas-Türelemente im Inneren des Gebäudes mit neuem Drahtglas ausgefacht und durch neue Elemente mit Brandschutzfunktion ergänzt worden. Im nächsten Schritt soll das Eingangselement aufgearbeitet und neu verglast werden.
Bei der Feininstallation und der Montage der Elektro-Unterverteilungen werden sich die Bauarbeiten verzögern. Im ersten Vergabedurchlauf konnte kein Auftrag erteilt werden. Hier herrscht noch immer Handwerkermangel.
Deshalb würden sich auch die Bodenbelags- und die Malerarbeiten verschieben. Alle Beteiligten arbeiteten mit Hochdruck daran, den zeitlichen Verzug so gering wie möglich zu halten.