Essen-Kray/Freisenbruch. Wegen der Arbeiten im Bürgerhaus Oststadt sind Angebote verlegt. Viele im Bergmannsfeld und Hörsterfeld werden nicht erreicht. Sorge gilt Kindern.
Der Eingang ist mit Brettern verdeckt, auf dem Parkplatz stehen Container und innen laufen die Arbeiten: Das Bürgerhaus Oststadt wird derzeit saniert. Angebote wie der Awo-Treff, Kleiderladen oder Sportkurse mussten verlegt werden. Die Stadtteilbibliothek hat zwar Räume in Kray gefunden, erreicht so aber etwa die vielen Kinder aus dem Bergmannsfeld nicht. Dabei ist gerade für die Mädchen und Jungen, deren Familien aus verschiedenen Ländern zugezogen sind, diese Förderung so wichtig.
„So viele fragen mich immer wieder: Wann kommt ihr endlich zurück?“, erzählt Maryam Alizadeh mit einem traurigen Blick. Seit zwölf Jahren leitet sie die Stadtteilbibliothek in Freisenbruch, mit viel Herzblut. Seit anderthalb Jahren befindet sich die Bücherei aber nun in Kray – zum Übergang. Der Grund: Das Bürgerhaus Oststadt, in dem die Bücherei ihren Standort hatte, wird seit Anfang letzten Jahres grundsaniert.
Zu den Arbeiten zählen die Barrierefreiheit des Hauses aus dem Jahr 1976 sowie die Neuordnung der Fluchtwege, die Sicherheitsstandards etwa bei den Brüstungen auf dem Außengelände und die Sanierung der Toiletten- und Duschanlagen.
Sanierungskosten erhöhten sich
Und das läuft nicht ohne Hindernisse, mal war es der Denkmalschutz, dann der Austritt von Schadstoffen, die durch den „unsachgemäßen Umgang der bauausführenden Firma“ entstanden ist, wie die Stadt erklärte. Das ließ die Kosten steigen, brachte den Zeitplan durcheinander. Sollten es anfangs 1,4 Millionen sein, die investiert werden, wurde die Summe zuletzt mit vier Millionen beziffert.
„Die Bemühungen, in der Nähe einen Standort für die Zwischenzeit zu finden, hatten damals leider nichts ergeben“, erklärt die Leiterin. So zog sie mit ihrem Team und rund 15.000 Ausleihmedien ins Krayer Rathaus. Die meisten Leser können den Weg nach Kray nicht auf sich nehmen.
Sprach- und Sportkurse, Ausstellungen und Aufführungen
Das Bürgerhaus Oststadt war bis zur Sanierung das soziale Zentrum im Stadtteil – mit Veranstaltungen für Bildung, Freizeit und Integration. Regelmäßig gab es seit mehr als 40 Jahren Sprach- und Sportkurse, Frühstückstreff, Musikangebote, Ausstellungen und Aufführungen, und eben auch die Buchausleihe.
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Vor allem Familien aus der Siedlung im Bergmannsfeld und Hörsterfeld hatten das Angebot in Freisenbruch rege genutzt. Davon besuchen allerdings nur sehr wenige den neuen Standort in Kray. Das liegt hauptsächlich daran, dass der Weg für viele eine große Hürde darstellt. Normalerweise seien die Besucher zu Fuß zum Ortstreff gekommen. Zum Rathaus in Kray müssten sie nun mit dem Bus eine halbe Stunde Fahrt und zwei Umstiege auf sich nehmen.
Öffnungszeiten der Bibliothek in Kray
Die Öffnungszeiten der Bibliothek in Kray sind: Di, Mi, Fr von 10 bis 17 Uhr und Do von 14 bis 18.30 Uhr. Im Rathaus in Kray, Kamblickweg 27, finden im Rahmen der interkulturellen Woche zudem mehrere Veranstaltungen im September und Oktober statt.
Es gibt unter anderem eine Lesung von Bestseller-Autor Stephan Orth und Weltmusik von Musiker Kioomars Musayyebi. Informationen zur Bibliothek und zu den Veranstaltungen gibt es telefonisch unter 8842308 oder im Internet unter www.stadtbibliothek.essen.de
„Das Bürgerhaus war ein öffentlicher und vertrauter Ort. Viele Besucher haben kein Auto und der Weg mit den Öffentlichen ist zu weit“, weiß Leiterin Alizadeh, die sich besonders um die Kinder sorgt. In Freisenbruch hatte sie sich mit vielen Angeboten für die Sprach- und Leseförderung eingesetzt. Dafür hatte sie zum Beispiel ehrenamtliche Lesepaten organisiert, die die Kinder einzeln betreuen.
„Viele sprechen in ihrer Familie kein Deutsch und lesen nicht“, erzählt die gebürtige Iranerin. Normalerweise kümmert sie sich in der Bibliothek in Freisenbruch auch um die Probleme von Familien mit Migrationshintergrund. Doch nicht nur der Umzug hatte die Arbeit erschwert. Corona hat ein Übriges getan: Lesungen fielen aus, Ausstellungen wurden verschoben und Theateraufführungen abgesagt. „Es war schrecklich. Wir konnten nicht öffnen und mussten die Bücher durch das Fenster reichen“, erinnert sich Alizadeh.
Bildungsangebote werden dringend in Freisenbruch gebraucht
Doch die studierte Bibliothekarin lässt sich nicht unterkriegen. In der Corona-Zeit ruft sie in Kray zwei neue Literaturkreise ins Leben und organisiert kurzerhand Angebote in den Schulen in der Umgebung. „Letztens gab es ein Theater in einer Turnhalle. Als ich die Kinder bei der Aufführung lachen gesehen habe, ist mir das Herz aufgegangen,“ erzählt die 58-Jährige mit einem Lächeln.
Dennoch freut sie sich vor allem auf die Zeit, wenn sie im Bürgerhaus in Freisenbruch wieder zwischen den Bücherregalen steht. „Die Arbeit in Kray macht mir sehr viel Spaß und sie trägt auch Früchte. Aber ich weiß, dass die Angebote in Freisenbruch wirklich dringend gebraucht werden“, sagt sie, als sich in diesem Augenblick die alte Rathaustür öffnet und eine Dame die Bibliothek betritt. In der Hand trägt sie drei kleine Geschenktüten.
„Ich gehe schon seit über 30 Jahren hier in die Krayer Bibliothek“, erzählt Ilona Englich. Fast jede Woche bestellt sie neue Bücher, am liebsten Krimis. „Jetzt wollte ich mich einfach mal für die tolle Arbeit bedanken“, sagt die 80-Jährige. Wie lange die Bücherei in Kray bleibt, ist noch ungewiss. Geplant sei, dass die Bauarbeiten am Bürgerhaus in Freisenbruch Ende des Jahres fertiggestellt werden. Ursprünglich war der Abschluss für den Sommer angedacht.