Essen. Mit Essens Obermeister der Heizungs-Innung auf Kundenbesuch: Warum die Heizungsverbote der Bundesregierung an der Wirklichkeit scheitern.

Den Robert Habeck, den würde er gerne einmal mitnehmen zu Kunden-Gesprächen, sagt Thomas Weber. Damit der Wirtschaftsminister hautnah erlebt, was die Bundesregierung da gerade anrichtet mit ihrem „Heizungsverbot“. Das Gesetz sei eine stille Enteignung. Thomas Weber bekommt das in diesen Tagen häufig zu hören. „Gerade die ältere Generation macht sich große Sorgen“, berichtet der Obermeister der Innung für Sanitär- und Heizungstechnik.

So wie die Dame, die in seinem Geschäft im Econova-Gelände am runden Besprechungstisch Platz genommen hat. Sie sei Eigentümerin eines Zweifamilienhauses im Essener Westen, Baujahr 1960. Die Ölheizung ist von 1995 und macht es nicht mehr lange, sagt der Schornsteinfeger. Was nun?

Diese Frage wird Thomas Weber häufig gestellt. Das Habeck-Gesetz schlägt hohe Wellen, nicht nur in den Medien. „Besitzer von Ölheizungen sind die Gelackmeierten“, sagt der Heizungsfachmann. Neue Geräte dürfen ab dem kommenden Jahr nicht mehr eingebaut werden. Es sei denn, sie werden zu mindestens 65 Prozent aus umweltfreundlichen Energieträgern gespeist. Das Problem: „Synthetische Stoffe, die Heizöl ersetzen könnten, haben wir noch nicht. Und ob das überhaupt technisch zu 100 Prozent umsetzbar ist, das ist die Frage“, sagt Thomas Weber.

Hausbesitzer wollen ihre Ölheizung noch schnell gegen eine neue ersetzen

Viele seiner Kunden wollen ihre alte Ölheizung deshalb noch in diesem Jahr gegen eine neue austauschen lassen, quasi auf den letzten Drücker. Selbst dann, wenn die Heizung noch funktioniert. Nur: „Aktuell gibt es keine Ölkessel am Markt“, berichtet der Obermeister. Und was passiert, wenn ein Kunde eine neue Heizung in diesem Jahr kauft, das Gerät aber erst im kommenden Jahr geliefert und eingebaut wird? Erfüllt der Kunde dann trotzdem die gesetzlichen Bestimmungen? Thomas Weber zuckt mit den Schultern. Vieles von dem, was sie sich in Berlin ausgedacht haben, sei noch unausgegoren. Entsprechend groß sei die Verunsicherung.

In den Niedrigenergiehäusern An der Seilbahn in Schönebeck gibt es weder Heizkörper noch Fußbodenheizungen. Für Wärmepumpen sind das schlechte Voraussetzungen.
In den Niedrigenergiehäusern An der Seilbahn in Schönebeck gibt es weder Heizkörper noch Fußbodenheizungen. Für Wärmepumpen sind das schlechte Voraussetzungen. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Der Gesetzgeber sähe es gerne, wenn Hausbesitzer ihre Heizung gegen eine Wärmepumpe ersetzen. Sollen Wärmepumpen effizient sein, benötigen sie eine niedrige Vorlauftemperatur. Sind die Voraussetzungen dafür nicht gegeben, funktionieren die Geräte wie ein Tauchsieder. Das kostet jede Menge Strom und folglich viel Geld. Die entscheidende Frage sei deshalb: „Passt eine Wärmepumpe zum Gebäude“, betont Thomas Weber. „Die Heizkörper an sich sind nicht das Problem.“ Wichtiger sei: „Sind Dach und Fassade gedämmt? Gibt es eine Mehrfachverglasung?“ Die Dame am Besprechungstisch schüttelt mit dem Kopf.

Seiner Kundin empfiehlt Weber schließlich, die Ölheizung gegen eine Gas-Brennwert-Heizung ersetzen zu lassen. Diese lasse sich später als Hybrid-Lösung durch eine Wärmepumpe ergänzen. Damit hätte die Dame Zeit gewonnen.

Das Heizungsverbot bereitet Hauseigentümern schlaflose Nächte

Darum geht es vielen. Darunter auch Hausbesitzer, die durchaus Willens sind in den Klimaschutz zu investieren. So wie Ulla und Berthold Löhr, die Thomas Weber zum Hausbesuch aufsucht. Das Ehepaar wohnt in einer Reihenhaus-Siedlung in Schönebeck, erbaut in den späten 1990er Jahren. In der Siedlung wird sich bald ein Generationswechsel vollziehen. Junge Familien seien eingezogen. Manche hätten wegen des Heizungsgesetzes schlaflose Nächte.

Denn die Reihenhäuser mit den gepflegten Klinkerfassaden sind Niedrigenergiehäuser. Den Löhrs war das wichtig, als sie vor mehr als zwei Jahrzehnten einzogen. Beheizt werden die Häuser mittels Gasheizgerät und Wärmetauscher, der die Luft erwärmt und im Haus über Lüftungsschächte verteilt. „Die Anlage ist 22 Jahre alt und funktioniert tadellos. Sie benötigt allerdings eine hohe Vorlauftemperatur“, berichtet Berthold Löhr, der von Beruf Ingenieur und technischen Innovationen gegenüber aufgeschlossen ist.

Weil es auf Sicht keine Ersatzteile mehr geben wird, trägt sich das Paar mit dem Gedanken, die Heizung zu ersetzen. Zusätzlich soll eine Solaranlage aufs Dach. Das Solar-Panel muss nur noch montiert werden. Kommt auch eine Wärmepumpe infrage? Oder gibt es Alternativen?

Der Heizungsfachmann nennt das Habeck-Gesetz unausgegoren

Im ganzen Haus gibt es weder Heizungsleitungen, noch Heizkörper und auch keine Fußbodenheizung. Eine solche ließe sich in die Böden hineinfräsen, sagt Thomas Weber. Nur stünden Aufwand und Kosten in keinem Verhältnis. So bleibt den Löhrs nichts anderes übrig, als ein neues Gasgerät einbauen zu lassen. 2045 wird auch das verboten sein. „Dann sind wir 20 Jahre weiter“, sagt Berthold Löhr, was wohl auch für die technische Entwicklung im Heizungsbau gilt. Für ihr Haus gibt es dann vielleicht technisch bessere Lösungen als diese. Mittelfristig wäre eine Hybrid-Lösung wohl die beste, sagt Berthold Löhr. Mal sehen, was die Zukunft noch bringt.

So trifft die Gesetzgebung auf die Wirklichkeit. Gut gemeint, aber überstürzt und unausgegoren, nennt Thomas Weber die Habeck-Initiative, was sich auch beim nächsten Kundenbesuch bestätigt. Das Objekt: ein Mehrfamilienhaus mit 14 Parteien, erbaut in den 1950er Jahren unweit der Steeler Straße. Ein Haus, von denen es viele vergleichbare gibt in Essen.

Kein Platz für Wärmepumpen: In dicht bebauten Quartieren wie in Huttrop lassen sich die Geräte nicht ohne weiteres aufstellen.
Kein Platz für Wärmepumpen: In dicht bebauten Quartieren wie in Huttrop lassen sich die Geräte nicht ohne weiteres aufstellen. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Schon von außen lässt sich erahnen, dass wohl eine sechsstellige Summe nötig sein dürfte, um das Gebäude energetisch auf einen modernen Stand zu bringen. Über die Miete ließe sich das wohl kaum wieder reinholen.

Für eine Luftwärmepumpe fehlt in dicht bebauten Quartieren häufig der Platz

Von der Verwalterin erfährt Thomas Weber, dass die Eigentümer betagt sind und von den Mieteinnahmen leben. Selbst wenn sie dazu bereit wären, die notwendige Investition zu schultern und die alte Gasheizung gegen eine Luftwärmepumpe auszutauschen, würde dies an den Gegebenheiten vor Ort scheitern.

„Wo man hier eine Wärmepumpe aufstellen soll, dafür fehlt mir die Phantasie“, sagt Thomas Weber und blickt die dicht bebaute Anwohnerstraße entlang. Auch der Hinterhof wäre keine Alternative. Eine Luftwärmepumpe läuft nicht geräuschlos. Der Schall würde sich zwischen den hohen Häuserwänden verfangen. „Mit den Nachbarn bekommt man dann richtig Spaß.“

Auch in dem Mehrfamilienhaus wird die Gasheizung deshalb gegen ein neues Modell ausgetauscht. „Es muss kein Mercedes sein, ein Volkswagen tut es auch“, gibt die Verwalterin dem Heizungsfachmann noch mit auf den Weg. Zu teuer soll es nicht werden.

Mit dem Heizungs-Gesetz setzt sich die Bundesregierung hohe klimapolitische Ziele. Das Handwerk stehe hinter der Energiewende, diese müsse aber technologieoffen gestaltet werden und mit realistischen Fristen, was nicht der Fall sei, sagt Thomas Weber. Dass die gesteckten Klimaziele erreicht werden, daran hat Essener Innungs-Obermeister seine Zweifel. Unter zehn neuen Heizungsgeräten, die er jüngst für Kunden bestellt hat, waren gerade einmal zwei Luftwärmepumpen.