Essen. Das junge Unternehmen Greenlyte aus Essen will Anlagen bauen, die Kohlendioxid aus der Luft saugen können. Die Gründer haben große Pläne.
Das junge Unternehmen Greenlyte Carbon Technologies hat sich nichts Geringeres vorgenommen, als von Essen aus das Weltklima zu retten. Wie dies aussehen könnte, ist bereits in der Westendstraße 10 zu sehen. Dort baut Greenlyte gerade eine Art überdimensionalen Staubsauger auf, der klimaschädliches Kohlendioxid aus der Luft abscheiden und es in konzentriertes CO2 umwandeln soll.
Das CO2 kann so anschließend, entweder unterirdisch verpresst oder zu Kohlenwasserstoff umgewandelt werden. Aus diesem Rohstoff können beispielsweise synthetische Treibstoffe hergestellt werden. Als Nebenprodukt des von Greenlyte entwickelten Verfahrens entsteht zudem reiner Wasserstoff, der in Zukunft ebenfalls eine wichtige Rolle als Energieträger spielen soll.
Das alles klingt ein wenig nach Hokuspokus und ist auch nicht unumstritten. Denn momentan gelingt dies nur unter hohem Einsatz von Energie. Und doch könnte das Verfahren in Zukunft ein bedeutender Baustein werden, um die Erderwärmung zu begrenzen. „Wir werden die Klimakatastrophe nicht stoppen können, wenn wir nicht Technologien dafür entwickeln. Mit Verzicht allein werden wir das nicht erreichen“, sagt Florian Hildebrand, Geschäftsführer und Mitgründer von Greenlyte, auch mit Blick auf den wachsenden Energiehunger der Entwicklungsländer.
Essener Wissenschaftler entwickelte Verfahren
In der Fachwelt heißt das Filterverfahren Direct Air Capture, kurz DAC. Wissenschaftler beschäftigen sich schon seit vielen Jahren damit. Zu ihnen gehört auch der Essener Dr. Peter Matthias Behr, der bis zur Gründung von Greenlyte an der Universität Duisburg-Essen auf diesem Feld forschte. Im September 2022 machte sich der Chemiker zusammen mit dem Maschinenbau-Ingenieur Florian Hildebrand selbstständig. Die Patente kauften sie der Uni ab. Später stieß Niklas Friederichsen, der Industrial Engineering in Aachen studiert hat, als drittes Gründungsmitglied dazu.
Das von den Essenern entwickelte Verfahren soll energieeffizienter als alle anderen Technologien sein, die derzeit weltweit im Einsatz sind. Bislang hat Greenlyte allerdings nur einen Prototypen in Betrieb, der CO2 im kleinen Stil aus der Luft filtert.
Der erste große Schritt, der noch für dieses Jahr geplant ist, ist eine Pilotanlage. Sie soll 100 Tonnen CO2 aus der Luft filtern. Das entspricht einer Leistung von etwa 10.000 Bäumen. Nach der Pilotphase will Greenlyte im kommenden Jahr die erste kommerziell genutzte Anlage auf den Markt bringen. Auch die weiteren Ziele sind ehrgeizig: Bis 2050 möchte das Essener Start-up pro Jahr eine Gigatonne CO2 aus der Luft abscheiden.
„Wir denken groß“, sagt Florian Hildebrand, der in der Vergangenheit bereits eine Softwarefirma gegründet und diese mit 120 Mitarbeitern zu einer beachtlichen Größe gebracht hat. Nach seinem Ausstieg dort, will der 32-Jährige nun aus Greenlyte ein Unternehmen im Industriemaßstab machen, das seine gefertigten Anlagen in alle Welt verkauft. Kunden könnten die chemische Industrie sein oder Unternehmen, die CO2 kommerziell verpressen.
Investoren geben Essener Gründern 3,5 Millionen Euro
Noch aber steht Greenlyte ganz am Beginn einer möglichen Erfolgsgeschichte. Für den Hochlauf der Technologie hat das junge Unternehmen im vergangenen Jahr 3,5 Millionen Euro bei Investoren eingesammelt, eine weitere Finanzierungsrunde ist im kommenden Jahr geplant. Bislang beschäftigt Greenlyte in Essen 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Mit dem Wachstum des Unternehmens soll auch deren Zahl weiter zunehmen.
Für die Essener Wirtschaftsförderung (EWG) passen Ansiedlungen wie Greenlyte zur Strategie, nach dem Aus der Kohle Essen auch in Zukunft zu einer führenden Energiemetropole zu machen. „Als Wirtschaftsförderung sind wir stolz darauf, junge Unternehmen zu unterstützen, die Lösungen für eine nachhaltige Zukunft entwickeln“, betont denn auch EWG-Geschäftsführer Andre Boschem.
Die EWG förderte Greenlyte im vergangenen Jahr mit ihrem Gründerprogramm „Business Builder“. In diesem Rahmen erhielten sie Unterstützung beim Marketing oder bei der Suche nach Büroräumen. So ist es der EWG auch gelungen, das junge Greentech-Unternehmen in Essen zu halten. Nicht zuletzt seien dafür aber auch die Unternehmen und Netzwerke entscheidend gewesen, die es in Essen im Bereich Energie bereits gebe, heißt es.
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