Essen. Hinter den massenhaften Fahrraddiebstählen stecken organisierte Täter. Die Polizei weiß, wo ihre Beute hingeht, und hat doch oft das Nachsehen.
Es hat nicht lange gedauert, bis sich der Fahrrad-Dieb in Essen-Rüttenscheid mit seiner Beute und seinen beiden Begleitern aus dem Staub machen konnte: Im Handumdrehen hatte der 35 bis 45 Jahre alte Kriminelle mittels eines Bolzenschneiders ein Kabelschloss durchtrennt, mit dem der Drahtesel an einem Verkehrsschild auf dem Demrathkamp befestigt war.
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Was der Gauner nicht mitbekam: Ein Zeuge beobachtete und filmte die Tat am 11. März gegen 15.40 Uhr. Er ging zur Polizei, um sein Video zur Verfügung zu stellen.
Polizei Essen veröffentlicht Foto und hofft auf Zeugenhinweise
Für die Behörde, die diese Bilder nun veröffentlicht hat und auf Hinweise möglicher Zeugen hofft, sind solch anschauliche Ermittlungsansätze eher ein Glücksfall unter den jährlich über 1000 Fahrradklau-Delikten. In der Regel ist die Lage eine andere: Die teils gut organisierten Täter verschwinden mit dem Diebesgut auf Nimmerwiedersehen.
Es ist leider Fakt: Von 100 dieser Straftaten werden nicht einmal zehn aufgeklärt. Zum Vergleich: Legt man die Gesamtkriminalität aller in der Essener Behörde bekanntgewordenen Delikte zugrunde, waren die Ermittler im vergangenen Jahr in fast jedem zweiten Fall erfolgreich.
Die Aufklärungsquote ist traditionell niedrig
Doch nach Fahrraddiebstählen ist die Quote traditionell dramatisch niedriger. Sie schwankte in den vergangenen Jahren zwischen 3,8 und 9,6 Prozent. Obwohl die Polizei ziemlich genau weiß, was mit der heißen Ware passiert, ist es offenbar schwierig, den Tätern beizukommen, bei denen es sich nach Angaben der Essener Behörde „zu einem großen Anteil um männliche, aus dem osteuropäischen Raum stammende Personen“ handelt.
Es machen organisierte Banden vorwiegend die Straßen, Garagen und Keller unsicher, wenn sie es in den meisten Fällen gezielt auf teure Pedelecs abgesehen haben, die „größtenteils Richtung Europa gebracht werden“. Dazu kommt eine Reihe von örtlichen Einzeltätern, die zum Teil rauschgiftabhängig sind, und mit dem Diebstahl und dem Verhökern fremden Eigentums ihre eigene Sucht finanzieren.
Aus zahlreichen zurückliegenden Verfahren und Durchsuchungen weiß die Polizei, dass viele dieser Räder an Hehler gehen, die im Umfeld des Essener Stadthafens ihre Geschäfte machen. Bei Sicherstellungen konnte die Beute auf zwei Reifen sogar in stattlichem Umfang in Bergeborbeck wiederbeschafft und auch an ihre Eigentümer zurückgegeben werden.
Einen 40-Tonner voller heißer Ware sichergestellt
Im November 2021 beschlagnahmte die Polizei in der Nähe des Autokinos rund 40 Fahrräder, nachdem wenige Monate zuvor ein mit der Ware gut gefüllter 40-Tonner sichergestellt worden war. Nach einem Diebstahl in Steinfurt führte die Spur ebenfalls tief in den Essener Westen zu einem Lager voller geklauter teurer E-Bikes.
Versuchten Einzeltäter ihre erbeuteten Drahtesel zum Beispiel über ebay-Kleinanzeigen zu Geld zu machen, konnte die Polizei die Verdächtigen nach eigenen Angaben „in mehreren Fällen“ durch fingierte Verkaufsverhandlungen ermitteln und den Geschädigten ihr Eigentum zurückgeben. Den Übeltätern auf die Spur kommt zunehmend eine an den Beutestücken unauffällig angebrachte Ortungstechnik, die das Versteck der Kriminellen sozusagen „gebäudescharf“ per GPS-Signal aufs Handy senden kann. Auch gute mechanische Sicherungen können den Tätern die schmutzige Arbeit schwer machen.
Im vergangenen Jahr wurden der Polizei allein in Essen 1019 Fahrraddiebstähle bekannt. Die Behörde beziffert den Schaden auf rund 1,2 Millionen Euro. Im Jahr zuvor waren es 1552 dieser Delikte. 2021 verschwanden Drahtesel im Gesamtwert von 1,8 Millionen Euro. War ein gestohlenes Rad im Jahr 2015 noch durchschnittlich 688 Euro wert, entstand im vergangenen Jahr im rechnerischen Mittel ein Schaden von 1178 Euro pro Fall.
Die Essener Polizei bittet um Hinweise
Übrigens: Wer den mutmaßlichen Fahrraddieb von Holsterhausen erkennt, nach dem die Polizei aktuell mit einem Foto fahndet, sollte sich unter der Rufnummer 0201/829-0 an die Essener Behörde wenden.
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