Essen. Ein Luxus-Oldtimer von 1936 zählt zu den Stars der 33. Techno Classica (bis 16. April) in Essen. Erstbesitzer war Englands König Edward VIII.

Auch die 33. Techno Classica in Essen geizt mal wieder nicht mit Superlativen. 1.800.000,00 Euro steht auf dem dezenten Preisschild für das cremefarbene Mercedes-Benz-Cabriolet 300 SL in Halle 7. Es sei der teuerste Wagen der Oldtimer-Schau, heißt es am Stand. Halle 6 wartet mit einem weiteren eleganten Star auf. Es ist ein pechschwarzer Buick, Baujahr 1936, mit auffallend viel Chrom und strahlenden Weißwand-Reifen.

Doch hier sind es nicht die automobilen Werte wie Hubraum, PS- oder Zylinderzahl, die die Blicke der Messe-Besucher anziehen. Es ist die aristokratische Herkunft der Nobelkarosse: Denn sein Erstbesitzer war kein geringerer als der britische König Edward VIII. (1894 - 1972).

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Stürzte das Vereinigte Königreich 1936 in eine Staatskrise: König Edward VIII. verzichtete der Liebe zur geschiedenen US-Amerikanerin Wallis Simpson wegen nach nur 326 Tagen im Amt auf die britische Krone. Unser Bild zeigt den späteren Herzog von Windsor mit seiner Ehefrau im Jahr nach der Abdankung.
Stürzte das Vereinigte Königreich 1936 in eine Staatskrise: König Edward VIII. verzichtete der Liebe zur geschiedenen US-Amerikanerin Wallis Simpson wegen nach nur 326 Tagen im Amt auf die britische Krone. Unser Bild zeigt den späteren Herzog von Windsor mit seiner Ehefrau im Jahr nach der Abdankung. © dpa

„Der Wagen, Baujahr 1936, war ein Sondermodell“, berichtet Astrid Ender. Die Autosattlerin aus Essen-Frillendorf hat sich im Auftrag des Besitzers gut vier Monate intensiv um den Luxus-Buick gekümmert. Ihr Auftrag lautete, den Innenraum samt Türverkleidung bis hin zum Kofferraum von Grund auf zu restaurieren. Die arg beanspruchte Lederausstattung musste ebenso ausgetauscht werden wie der abgenutzte Teppichboden.

Autosattlerin Astrid Ender steckt gut 200 Arbeitsstunden in royalen Luxus-Buick

Die Essenerin Astrid Ender ist 1987 die erste Frau in Deutschland, die in der Männerdomäne Autosattlerei erfolgreich Fuß fasst. Heute sagt sie: „Die Autosattlerei ist ein aussterbender Beruf.“ Unser Bild zeigt sie bei der Restaurierung der royalen Luxuskarosse.
Die Essenerin Astrid Ender ist 1987 die erste Frau in Deutschland, die in der Männerdomäne Autosattlerei erfolgreich Fuß fasst. Heute sagt sie: „Die Autosattlerei ist ein aussterbender Beruf.“ Unser Bild zeigt sie bei der Restaurierung der royalen Luxuskarosse. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Gut 200 Stunden standen am Ende auf ihrem Arbeitszettel – das Ergebnis stellt die Autosattlerei Masto, ihr Arbeitgeber, mit weit geöffneten Türen gerne auf der Oldtimer-Weltmesse aus. Dem jetzt in warmem Bordeaux-Rot ausgeschlagenen Wagen sieht man seine neunzig Jahre nicht an.

Astrid Ender, durch deren Hände im Laufe von fast 40 Berufsjahren schon Hunderte Oldtimer gegangen sind, gesteht gerne, dass sie sich in den royalen Buick („ein wunderschönes Auto“) verliebt hat. Doch im selben Atemzug fügt sie hinzu: „Das Schönste ist, wenn sich der Kunde wie auch in diesem Fall aufs Neue in sein restauriertes Auto verliebt.“

Die Weltmesse in Essen

Die 33. Techno Classica 2023 findet vom 12. bis 16. April in der Messe Essen statt. Sie ist eine echte Weltmesse mit rund 1250 Ausstellern aus mehr als 30 Nationen und 2700 Sammler-Automobilen.

Die Sonderausstellung ist dem Thema „60 Jahre Lamborghini“ gewidmet. Weitere Jubiläen sind ebenfalls Thema - etwa 100 Jahre MG, 75 Jahre Porsche, 75 Jahre „Ente“ von Citroen, 60 Jahre Mercedes-Benz 600. Im Fokus steht auch Ferrari. Ein Highlight: der Formel-1-Rennwagen 2005 von Michael Schumacher.

Die Tageskarte kostet 25 Euro für Erwachsene, 20 Euro für Schüler, Studenten, Auszubildende, 15 Euro für Kinder (8 bis 11 Jahre). Kinder unter 8 Jahren in Begleitung Erwachsener: Eintritt frei. Das Familien-Ticket (Eltern plus 3 Kinder) kostet 65 Euro.

Mehr Infos: www.siha.de

Hohe Handwerkskunst ist die eine Seite ihres selten gewordenen Berufs, Diskretion die andere. Über den Eigentümer verliert sie kein Sterbenswörtchen. Man erfährt lediglich, dass er im Rheinland lebt. Mehr Infos gibt’s zur alten Staatskarosse (5,2 Liter Hubraum, Achtzylinder, 120 PS), bei der 97.650 Meilen auf dem Tacho stehen: 1936 wird sie zugelassen auf „H. M. The King, St. James Palace, S.W. 1“, bereits zwei Jahre später nennt der Besitzer einer englischen Marmeladen-Fabrik den Buick sein Eigen. Auch in Holland sei er mal zugelassen gewesen. Irgendwann kommt er bei Sotheby’s für 180.000 Mark unter den Hammer.

Buick statt Rolls-Royce: England soll nicht gerade amüsiert gewesen sein

Zivile Fahrgäste in royaler Luxus-Limousine: Debbie Kather und Gero Haude posieren auf der 33. Techno Classica 2023 für die Fotografen.
Zivile Fahrgäste in royaler Luxus-Limousine: Debbie Kather und Gero Haude posieren auf der 33. Techno Classica 2023 für die Fotografen. © G.N.
Viel Chrom: Der Buick von 1936 hat eine 5,2-Liter-Maschine, Achtzylinder und lediglich 120 PS. Mehr als 120 km/h waren nicht drin..
Viel Chrom: Der Buick von 1936 hat eine 5,2-Liter-Maschine, Achtzylinder und lediglich 120 PS. Mehr als 120 km/h waren nicht drin.. © FUNKE Foto Services | Jessica Hock

An Edward VIII. hatten die Briten wenig Freude. Denn nach lediglich 326 Tagen dankte er im Dezember 1936 der Liebe wegen ab: Die nicht standesgemäße Vermählung mit der zweimal geschiedenen US-Amerikanerin Wallis Simpson war ihm wichtiger als die Krone. In dieses unvorteilhafte Bild passt, dass er auch noch eine US-Karosse in den von heimischen Rolls-Royce beherrschten Wagenpark als Staatskarosse aufnahm. „Die Engländer sollen alles andere als amüsiert gewesen sein“, berichtet die Autosattlerin.

Durchgehende Sitzbank in Bordeaux-Rot: Der Fahrer sitzt in dem für Englands Straßen zugelassenen Wagen natürlich rechts.
Durchgehende Sitzbank in Bordeaux-Rot: Der Fahrer sitzt in dem für Englands Straßen zugelassenen Wagen natürlich rechts. © FUNKE Foto Services | Jessica Hock

Natürlich beflügelt der Oldtimer vor diesem pikanten Hintergrund seit jeher die Fantasie: Haben sich der verliebte Windsor und seine Wallis auf der Rückbank tief in die Augen geschaut und womöglich Zärtlichkeiten ausgetauscht? Zumindest für den Boulevard kann es gar nicht anders gewesen sein.

Zurück zur Baustelle: Dass der Buick vor dem Werkstatt-Termin in Essen in einem „absolut desolaten“ Zustand gewesen ist, zeigen die Vorher-Nachher-Fotos am Stand: das braune Leder zerschlissen, zum Teil sogar verschimmelt, kein Fetzen mehr zu gebrauchen. „Lediglich die eichenen Holzrahmen waren gut in Schuss.“ Die neuen weinroten Bezüge hingegen fühlen sich angenehm weich an, Nappaleder eben. Sechs Rinderhäute seien verarbeitet worden, jede einzelne fünfeinhalb Quadratmeter groß.

Traum in Bordeaux: Sechs Rinderhäute werden für Bänke und Verkleidung verarbeitet

Wenn Astrid Ender auf der breiten Rückbank Platz nimmt, gerät sie ins Schwärmen. „Man sitzt darauf wie auf einer gemütlichen Couch.“ Kein Wunder: Die Bank verfüge über dieselben schwingenden Blattfedern wie eine Kutsche. Zu den Highlights der Limousine gehört zweifelsohne die geräumige Bar: oben das Glasfach für Kelche und Flöte, darunter das für Whiskey, moussierenden Champagner und weitere Flaschen. Der Buick, so berichtet die Autosattlerin, sei offenbar die erste Karosse im royalen Wagenpark mit einer Bar gewesen. Weniger schön und aus der Sicht eines Golf-Fahrers mit Sitzheizung heutzutage fast schon verstörend: Der hochwohlgeborene Herrscher des Vereinigten Königreichs und Kaiser von Indien konnte damals im Luxus-Buick nicht richtig warm werden, denn er besitzt schlichtweg keine Heizung.

Die Masto-Leute haben die Absperrung am Stand mit lauter Union-Jack-Fähnchen drapiert. Allein das zieht schon die Blicke der Messebesucher an, schließlich wird im nächsten Monat in England mit Charles III. wieder einem Monarchen die Krone aufs Haupt gesetzt. Das fachkundige Publikum hingegen ist voll des Lobes über die Handwerkskünste von Astrid Ender, die 1987 als Deutschlands erste Autosattlerin in eine reine Männerdomäne eindrang. Trotzdem mischt sich darin heute ein Hauch von Wehmut. „Die Autosattlerei“, seufzt sie, „ist leider ein aussterbender Beruf.“