Essen-Heisingen. Das historische Fachwerkhaus verfiel immer weiter. Nun ist das Baudenkmal in Essen-Heisingen abgerissen worden. Warum das viele ärgert.
Das kleine Fachwerkhaus an der Heisinger Straße ist Geschichte: „Es ist einfach abgerissen worden“, sagt Henner Höcker entsetzt. Der Ortshistoriker und Vorsitzende der Bürgerschaft hat sich lange darum bemüht, das Nebengebäude des historischen Buschkamphofes zu retten, hatte zahlreiche Mitstreiter an seiner Seite. Nun ist das Häuschen aus dem Ortsbild verschwunden. Henner Höcker, den die Nachricht auf einer Fahrt nach Hessen erreicht, bedauert: „Andernorts geht man mit Denkmalschutz anders um.“
Ob der Denkmalschutz noch bestand, ob er aufgehoben worden ist und wenn ja, warum, dazu steht eine Antwort der Stadt noch aus. Das betroffene Haus war ein kleiner Nebenbau (als Leibzucht, das war der Altenteil für Landwirte), für Ortshistoriker wie Henner Höcker aber hatte dieser große Bedeutung. Es seien bereits so viele alte Gebäude in Heisingen abgerissen worden, das verändere nicht nur das Aussehen des Stadtteils, damit verschwinde auch ein Stück Vergangenheit. Diese sei erhaltenswert gewesen: Im aktuellen Fall geht es um den Buschkampkotten mit seiner Leibzucht.
Stadt Essen hat den Abriss wegen Einsturzgefahr angeordnet
Ein Baugutachten habe ergeben, dass das Baudenkmal Nr. 634 an der Heisinger Straße 340 aus statischen Gründen abgebrochen werden müsse, heißt es dazu von der Stadt. „Die irreparablen Schäden wurden bei einer Bauaufnahme festgestellt, die durch die Untere Denkmalbehörde der Stadt Essen angeordnet wurde“, erklärt Stadtsprecherin Jacqueline Riedel. Die Überprüfung habe im Rahmen eines Nutzungsantrags der Neueigentümer stattgefunden.
„Der hiernach zum Objekt gebetene städtische Statiker konnte das Ergebnis des Gutachtens bestätigen“, sagt die Sprecherin. Trotz der Bemühungen der neuen Eigentümer, sich des Hauses anzunehmen, habe das einsturzgefährdete Gebäude leider abgebrochen werden müssen: „Der Substanzverlust war so groß, dass eine Sanierung einem Neubau gleichgekommen wäre.“ Ob nun bereits ein Bauantrag für das Grundstück vorliegt, darauf steht die Antwort noch aus.
„Wir fühlen uns jedenfalls an der Nase herumgeführt“, macht der Heisinger seinem Unmut in Richtung Stadt, den zuständigen Ämtern wie der Denkmalbehörde, Luft. Sie hätten sich mehrfach nach dem Eigentümer erkundigt, nachdem das Haus verkauft worden sein soll. „Wir hatten mehrere Ideen für eine Nutzung“, sagt Henner Höcker. Denn der Zustand sei doch zuletzt derart marode gewesen, dass es sich selbst als noch so winziges Wohnhaus mit seinen etwa 35 Quadratmetern und dem rund 380 Quadratmeter großen Grundstück nicht mehr geeignet hätte.
Dabei wurde es noch 2020 für rund 250.000 Euro angeboten. Dazu gab es allerdings damals bereits den Zusatz: „Preis auf Anfrage“,so dass dieser offenbar verhandelbar gewesen ist. Der Makler wies zudem auf einen Bauantrag für einen Anbau/Neubau hin (ca. 67 m²), der bereits genehmigt worden sein sollte – für das „neue Traumhaus mit Terrasse und Garten oder einen Wohnbereich mit angrenzendem Atelier“. Vorausgesetzt, der Käufer lasse die Baugenehmigung aktualisieren.
Das „kleine Knusperhäuschen“, es wäre möglicherweise schon wegen seiner Größe und des Zustandes nur etwas für Liebhaber gewesen. Aber genau solch einer hat sich ja für das ebenfalls kleine Fachwerkhaus („Stemmerhäuschen“) in der Dorfmitte gefunden, hat es renoviert und damit erhalten. Dieser Bau gehörte einst zum Stemmerhof (erstmalige Erwähnung 1250).
Das nun abgerissene Fachwerkhaus an der Heisinger Straße war auch laut Makler komplett sanierungsbedürftig. Es gehörte zum benachbarten Buschkampkotten, der Museumskreis hatte seinerzeit herausgefunden, dass es bereits 1766 gebaut worden sei. Als Eigentümer wurde erst die Abtei, dann die Zeche Carl Funke (um 1912) genannt, bevor es in private Hände kam. Die derzeitigen Eigentümer waren für die Redaktion bislang nicht erreichbar.
Ein ehemaliger Bewohner jedenfalls war Laternenanzünder, kümmerte sich um die Straßengaslaternen. Bis vor 23 Jahren soll er mit seiner Frau dort gewohnt haben. Es ist diese Historie, es sind all diese Geschichten rund um die Bauten und ihre Menschen, um die nicht nur Henner Höcker fürchtet. Den Umgang mit diesen Denkmälern empfindet er als fast unerträglich.
Dabei stand der Abriss des kleinen Hauses schon viel früher einmal an, als es galt, die Heisinger Straße zu verändern. Und auch die Stadt Essen war bereits Eigentümerin des Baus (ab 1977). Dann kam 1990 der Denkmalschutz für Kotten und Leibzucht, gefolgt vom Verfall des kleinen Baudenkmals. Den Zustand bezeichnete die Stadt selbst als „höchst unbefriedigend“. Die damaligen Eigentümer wurden aufgefordert, sich zu kümmern. Das war 2013.
Zehn Jahre später ist nicht nur der schlechte Zustand verschwunden, sondern gleich das ganze Fachwerkhäuschen. Zurück bleiben die Heisinger, die sich so sehr um den Erhalt von Haus und Historie bemüht hatten.